Arthritis und Rheuma 2023; 43(05): 350
DOI: 10.1055/a-2084-4495
Kinderrheumatologie kompakt

The Elephant in the Rheum: Psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen mit JIA

Prasad T. Oommen
1   Düsseldorf
› Institutsangaben

Fair DC, Cunningham NR, Knight A. The Elephant in the Rheum: Time to Address Mental Health as a Priority in Pediatric Rheumatology. J Rheumatol 2023; 50(6): 726–729

Li L, Merchant M, Gordon S et al. High rates of symptoms of major depressive disorder and panic disorder in a Canadian sample of adolescents with Juvenile Idiopathic Arthritis. J Rheumatol 2023; 50(6): 804–808. DOI: 10.3899/jrheum.220067. Epub 2022 Dec 15

Mit dem klingenden Editorial „The Elephant in the Rheum: Time to address mental health as a priority in pediatric rheumatology“ wurde kürzlich im „Journal of Rheumatology“ erneut darauf hingewiesen, dass man dem Thema „Psychische Gesundheit bei Kindern und Jugendlichen mit JIA“ einen höheren Stellenwert als bisher einräumen müsse. Hingewiesen wird auf die Besonderheit, dass insbesondere mit Blick auf die Corona-Pandemie auf die krisenhafte Verschlechterung der psychischen Gesundheit junger Menschen im Allgemeinen geachtet werden müsse.

Obwohl die JIA die häufigste Erkrankung im Spektrum der pädiatrischen Rheumatologie sei, sei das Wissen um Fragen der psychischen Aspekte dieser Erkrankung auch heute noch limitiert.

Einen weiteren Beitrag bietet hier die in der genannten Ausgabe des Journals publizierte Studie von Li et al., die eine Querschnittsstudie zum Thema behandelt. Untersucht wurden 80 JIA-Patienten im Alter von 12 bis 18 Jahren am IWK Health Hospital im Osten Kanadas mithilfe der RCADS (Revised Child Anxiety and Depression Scale) im Hinblick auf folgende Domänen der psychischen Verfassung: Trennungsangst, soziale Phobie, generalisierte Angst, Panikattacken, Zwangsstörungen und schwere Depression. Diese Domänen wurden von den Teilnehmenden auf einer Skala von 0 bis 4 basierend auf der Frequenz der Symptomatik („niemals“, „manchmal“, „oft“, „immer“) ausgefüllt. Ergänzend zum RCADS wurden die Teilnehmenden gebeten, die subjektive Krankheitsaktivität auf einer visuellen Analogskala (0–10) anzugeben. Ergänzend wurden folgende weitere Variablen erhoben: Alter, Geschlecht, Schuljahr, JIA-Diagnosedatum, Zeit seit JIA-Diagnose, JIA-Subtyp, aktuelle Medikation, aktive Gelenk- und Enthesenbeteiligung, Arzt-berichtete Schmerzeinschätzung und Krankheitsaktivität.

Die Teilnahmequote am Fragebogen lag bei 98 %. Im Ergebnis fanden sich bei 40 % der Teilnehmenden ein auffälliger Wert in mindestens einer Subskala, wobei „schwere Depression“ (23,8 %) am häufigsten war, gefolgt von Panikattacken (22,5 %), sozialer Phobie (16,3 %) und generalisierter Angst (13,8 %). 7,5 % der Patienten litten an Symptomen aus mindestens 2 verschiedenen Subskalen.

In der Analyse der Metadaten fiel auf, dass weibliche Jugendliche eher an Panikattacken litten als männliche; Patienten mit hoher subjektiv angegebener Krankheitsaktivität litten häufiger unter Störungen aus dem Spektrum der Angststörungen (abgesehen von Trennungsangst); Patienten, die im Arzturteil eher an Schmerzverstärkungssymptomen litten, gaben höhere Werte bei den Skalen an, die auf Zwangsstörungen hinwiesen. Interessanterweise korrelierten krankheitsbezogene Parameter wie Arzt-berichtete Krankheitsaktivität und aktive Arthritis nicht mit den auffälligen psychischen Symptomen. Daraus wurde geschlossen, dass die JIA-bezogenen Parameter eher nicht die dominanten „Driver“ der psychischen Belastungsfaktoren sind.

Als speziellen und neuen Befund sehen die Autor*innen die besonders hohe Prävalenz von Panikattacken bei weiblichen Patienten und erwähnen, dass diesem psychiatrischen Symptom ein dysfunktionales Körpererleben zugrunde liegt, was bei der JIA durchaus eine Rolle spielen könne.

Zusammengefasst liegt hier eine weitere – leider nur als Single-Center-Querschnittsstudie konzipierte – Arbeit vor, die sich dem wichtigen Thema der psychischen Gesundheit rheumakranker Kinder und Jugendlicher widmet. Diese Studie zeigt zum einen die hohe psychische Komorbidität bei adoleszenten JIA-Patient*innen und zudem, dass krankheitsunabhängige psychische Belastungsfaktoren eine auch für die Patient*innen erfolgreiche Remission überschatten können, obwohl formal keine aktive Arthritis vorliegt und das Arzturteil für eine Remission spricht.

Das Thema der psychischen Komorbiditäten gehört also nicht nur in die Hände von Psycholog*innen, sondern muss strukturierter Teil der ärztlichen Anamnese und Verlaufsbeurteilung sein. Nur so lassen sich Krankheits- und Therapielast oder Therapie-unabhängige psychische Aspekte valide beurteilen und rechtzeitig in die „richtige“ Betreuung überleiten. Da – gerade in der Adoleszenz – die Rheumatologie manchmal die einzige medizinische Anlaufstelle sein kann, liegt hier also eine besondere Verantwortung nicht nur für die somatische, sondern auch für die psychische Gesundheit der Patient*innen.

Prasad T. Oommen, Düsseldorf



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
18. Oktober 2023

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