Hebamme 2023; 36(04): 1
DOI: 10.1055/a-2083-6045
Editorial

Respektvolle Geburt

Ute Lange

Dies ist nicht unser erstes Heft zu einer respektvollen, menschenrechtsbasierten Geburtshilfe. Doch leider erfahren Frauen in Schwangerschaft, Geburt und Wochenbett immer noch personale, kulturelle und strukturelle Gewalt und Respektlosigkeiten durch Hebammen, Ärzte und Ärztinnen. Eine wesentliche Zahl von ihnen wird in dieser sensiblen Lebensphase traumatisiert – mit Folgen für die Frau, das Kind, Partner*innen und die ganze Familie.

Dabei ist schon viel geschrieben und gefordert worden: Die WHO (2014) betont das Recht auf eine würdevolle, wertschätzende geburtshilfliche Versorgung und formuliert Empfehlungen. 2019 legt UN-Sonderberichterstatterin Dr. Dubravka Šimonović einen Bericht zu geburtshilflicher Gewalt vor, nach dem es weltweit im Kontext geburtshilflicher Versorgung zu Verletzungen von Frauenrechten als Teil der allgemeinen Menschenrechte kommt. Die Parlamentarische Versammlung des Europarats verabschiedet 2019 eine Resolution zu geburtshilflicher und gynäkologischer Gewalt. Diese fordert die Mitgliedsstaaten auf, die Achtung der Frauenrechte überall vollumfänglich sicherzustellen, um eine humane, respektvolle und die Würde der Frau achtende geburtshilfliche Versorgung zu gewährleisten. In der COST Action CA18211 beschäftigten sich Forschende verschiedenster Disziplinen seit 2019 damit, wie Traumata vermieden werden können und wie ein positives Geburtserleben unterstützt werden kann.

Als Hebammen sind wir gefordert, uns immer wieder dem Thema zu stellen, unsere Prozesse selbstkritisch zu hinterfragen und uns für das Erleben der Frauen zu öffnen. Wie schon die DGHWi in ihrem Positionspapier formuliert, bedarf es dafür u.a. weiterer Forschung, der Verankerung einer respektvollen geburtshilflichen Betreuung als Qualitätsmerkmal, einer regelmäßigen systematischen Evaluierung der Geburtserfahrungen von Frauen, eines niedrigschwelligen Beschwerdesystems für Betroffene sowie entsprechender Unterstützungsstrukturen. Es braucht angepasste Rahmenbedingungen in der geburtshilflichen Versorgung, die Implementierung institutioneller Schutzkonzepte in geburtshilflichen Einrichtungen sowie Fort- und Weiterbildung der beteiligten Professionen.Auch dieses Themenheft will dabei unterstützen, die wichtige Forderung nach einer flächendeckend respektvollen Geburtshilfe umzusetzen.

Ute Lange
Herausgeberin HEBAMME



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Article published online:
05 September 2023

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