Dtsch Med Wochenschr 2023; 148(15): 937
DOI: 10.1055/a-2054-9741
Editorial

Adipositas

Obesity
Sebastian M. Meyhöfer

Die Prävalenz von Adipositas in Deutschland hat in den letzten Jahrzehnten alarmierend zugenommen. Laut aktuellen Statistiken des Robert Koch-Instituts ist etwa 1/4 der Erwachsenen und etwa jedes 7. Kind in Deutschland von Adipositas betroffen. Dieser Anstieg ist auf verschiedene Faktoren zurückzuführen, darunter ungesunde Ernährungsgewohnheiten, Bewegungsmangel und der zunehmende Einsatz von Technologien, was zu einem sitzenden Lebensstil führt.

Neben den offensichtlichen körperlichen Auswirkungen sind Begleiterkrankungen wie Typ-2-Diabetes, Bluthochdruck, Herzkrankheiten, Schlaganfall, bestimmte Krebsarten und muskuloskelettale Probleme klar mit der Adipositas assoziiert. Frau PD Dr. Katharina Laubner hat in ihrem Beitrag für dieses Dossier die relevanten Begleiterkrankungen zusammengefasst, die in der Umfelddiagnostik bei Menschen mit Adipositas dringend berücksichtigt werden sollten.

Die Auswirkungen von Adipositas sind vielfältig und schwerwiegend. Diese Erkrankung belastet nicht nur die Betroffenen selbst, sondern auch das Gesundheitssystem erheblich. Auch die steigende Anzahl von adipositasbedingten Komorbiditäten stellt eine große Herausforderung für die medizinische Versorgung dar und führt zu höheren Gesundheitsausgaben. Daher sind dringend flächendeckende Behandlungsprogramme erforderlich, um die aktuell noch unzureichende Versorgungsstruktur von Menschen mit Adipositas in Deutschland nachhaltig zu verbessern. Am 11. Juni 2021 wurden in Deutschland mit der Annahme des Gesetzes zur Weiterentwicklung der Gesundheitsversorgung die formalen Voraussetzungen für ein strukturiertes Behandlungsprogramm für Menschen mit Adipositas geschaffen. Im Beitrag von Prof. Matthias Blüher werden Ihnen die Strukturierung sogenannter „Disease Management Programme“ (DMP) sowie das Potenzial, welches eine flächendeckende Versorgungsstruktur für Menschen mit Adipositas haben kann, anschaulich dargelegt.

Die Behandlung von Adipositas erfordert einen multidisziplinären Ansatz, der auf verschiedene Aspekte abzielt. Prävention ist von entscheidender Bedeutung und sollte bereits im Kindesalter beginnen. Schulprogramme und öffentliche Aufklärungskampagnen sollten die Bedeutung einer gesunden Ernährung und der regelmäßigen körperlichen Aktivität vermitteln. Eltern und Erziehungsberechtigte sollten in Bezug auf die Bedeutung einer ausgewogenen Ernährung und eines aktiven Lebensstils sensibilisiert werden. Eine individuelle und multidisziplinäre Betreuung durch Ernährungsberater*innen, Physiotherapeuten*innen, Psycholog*innen und spezialisierten Ärzt*innen kann helfen, realistische Ziele zu setzen und positive Veränderungen von Ernährung, Bewegung und Verhalten zu erreichen. Für Menschen, die bereits von Adipositas betroffen sind, sind angesichts der drängenden adipositasassoziierten Gesundheitsprobleme effektive Therapieoptionen notwendig. Im Beitrag von Frau Dr. Clarissa Schulze zur Wiesch, Frau Dr. Anne Lautenbach und Herrn Prof. Jens Aberle wird ein umfassender Überblick zur leitliniengerechten Behandlung von Adipositas im multidisziplinären Team gegeben, der die Bereiche Ernährung, Bewegung, Verhaltenstherapie und in einigen Fällen auch medikamentöse oder chirurgische Interventionen umfasst.

Ich freue mich, wenn dieses Dossier zu den unterschiedlichen Aspekten der Adipositas Ihr Interesse findet und Ihnen im klinischen Alltag wertvolle Hinweise zu Diagnostik und Therapie dieser endemischen Erkrankung und ihrer Komorbiditäten liefern kann.



Publication History

Article published online:
21 July 2023

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