Gesundheitswesen 2023; 85(12): 1140-1148
DOI: 10.1055/a-2042-9874
Originalarbeit

Entwicklung eines Sozialstrukturindex zur Ermittlung des soziostrukturellen Versorgungsbedarfs in der ambulanten medizinischen Versorgung in Brandenburg

Development of an Index of Social Structures to Determine the Sociostructural Need for Physicians in Outpatient Care in Brandenburg
Robert Böckmann
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel, Germany
,
Philipp Jaehn
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel, Germany
2   Fakultät für Gesundheitswissenschaften, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel, Germany
,
Andreas Bergholz
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel, Germany
,
Jacob Spallek
3   Department of Public Health, Brandenburgische Technische Universitat Cottbus-Senftenberg Campus Senftenberg, Senftenberg, Germany
,
Michael A. Rapp
4   Sozial- und Präventivmedizin, Department für Sport- und Gesundheitswissenschaften, Universität Potsdam Humanwissenschaftliche Fakultät, Potsdam, Germany
,
Christine Holmberg
1   Institut für Sozialmedizin und Epidemiologie, Medizinische Hochschule Brandenburg Theodor Fontane, Brandenburg an der Havel, Germany
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Zusammenfassung

Einleitung Trotz wachsender Arztzahlen in der ambulanten medizinischen Versorgung ist die Diskussion um die Bedarfsplanung weiter aktiv, unter anderem weil auch die neue Bedarfsplanungsrichtlinie auf die Quote Arzt pro Einwohner setzt, als diese ursprüngliche und als unzulänglich kritisierte Berechnungsgrundlage konsequent in Frage zu stellen. Die vorliegende Arbeit versucht vor diesem Hintergrund für Brandenburg anhand eines Index den latenten Versorgungsbedarf zu schätzen, die Versorgungssituation abzubilden und im Anschluss die Hypothese zu überprüfen, ob sich ÄrztInnen systematisch eher in soziostrukturell privilegierten Regionen niederlassen und somit eine lokale Ungleichverteilung existiert, die in der bisherigen Bedarfsplanung unerkannt bleibt.

Methoden Zunächst wurden alle kleinräumig verfügbaren Daten mit potenziellem Einfluss auf den Versorgungsbedarf aus der INKAR-Datenbank aggregiert und mittels Hauptkomponentenanalyse untersucht. Der extrahierte Faktor wurde dann zusammen mit den Praxisstandorten der ÄrztInnen der hausärztlichen und allgemeinen fachärztlichen Versorgung auf Karten abgetragen. Zuletzt wurden mittels linearer Regression die Anzahl der Ärzte pro Mittelbereich mit der Verteilung des Index ins Verhältnis gesetzt, um relative Ungleichverteilungen zugunsten der soziostrukturell privilegierten Regionen aufzudecken.

Ergebnisse Die Hauptkomponentenanalyse ergab eine Ein-Faktor-Lösung, der extrahierte Faktor wurde nach seinen Bestandteilen Sozialstrukturindex genannt. Die grafische Darstellung ergab ein starkes Zentralitätsgefälle. Die Regressionen der Anzahl der Praxisstandorte nach Indexverteilung ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen Gemeindeverbänden mit hohen versus niedrigen Indexwerten.

Schlussfolgerung Die Erweiterung der Betrachtung des Versorgungsbedarfs um soziostrukturelle Faktoren erweist sich als nützlich und bestätigt die Probleme in der ambulanten Versorgung insbesondere in ruralen Gebieten. Dort kumuliert die dünne Besiedlung oft mit soziostruktureller Benachteiligung und schlechten Erreichbarkeiten. Eine relative Unterversorgung solcher Gebiete im Sinne der Präferenz von Praxisstandorten für privilegierte Gebiete kann hier allerdings nicht festgestellt werden.

Abstract

Introduction Despite the growing numbers of physicians in outpatient care, continuing discussion about the planning of physician requirements suggests remaining problems in this field, which could be due to focussing on the ratio of physician to population rather than on morbidity-based evaluations. Against this background, this paper tries to depict the latent need in outpatient care, illustrates supply and demand and further tests the hypothesis that there is a relative inequality in distribution due to physicians preferring to locate in socially privileged areas in the German state of Brandenburg.

Methods We aggregated all data available on a small scale with potential impact on demand and examined it via principal component analysis. The generated factor was mapped together with the locations of general practitioners and specialists in general care. Using linear regressions, the number of practitioners was compared to the local index value to determine regional inequalities.

Results The PCA suggested a one factor solution; that factor was designated Social Structure Index due to its values. The mapping showed a tendency of higher index values towards the central areas of Brandenburg surrounding Berlin. Regressions of the number of practitioners against the index values revealed no significant differences between communities with high and low index values.

Conclusion The extension of factors concluding the evaluation of physician demand in outpatient care confirms the problems of physician supply in rural areas, where sparse populations meet social disadvantages and poor accessibility. An underlying inequality in distribution in terms of physicians preferring socially privileged areas could not be detected.



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Article published online:
30 May 2023

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