Rofo 2023; 195(05): 365-366
DOI: 10.1055/a-2037-8854
Brennpunkt

Kommentar zu KOPF HALS – EPIMix-MRT zur Schlaganfalldiagnostik

Ansgar Berllis
1   Direktor Diagnostische und Interventionelle Neuroradiologie, Universitätsklinikum Augsburg, Augsburg, Germany
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Schlaganfall-MR in 78 Sekunden: Super schnell, akzeptable Qualität und weniger Bewegungsartefakte. Es ist ein Schritt in die richtige Richtung und bedeutet größere Konkurrenz für das immer noch überwiegend zum Einsatz kommenden Schlaganfall-CT.

Die mitunter notwendige multimodale Bildgebung des Schlaganfalls besteht allerdings auch aus Gefäß- und der Option einer Perfusionsdarstellung. Die gesamte Untersuchungszeit ist demnach deutlich länger als die 78 Sekunden, die hinzukommend eine nicht zu vernachlässigende Bildnachverarbeitungszeit von 10 Minuten benötigt. Hier müssen zukünftig neue und leistungsstärkere Computer geschaffen werden, die diese Nachverarbeitungszeit drastisch verkürzen. Ansonsten ist der Zeitverlust durch die Nachverarbeitung größer als die primäre und online zugängliche Primärdiagnostik. Relevant ist diese gerade im Hinblick auf eine therapeutische Entscheidung in Richtung intravenöse und/oder mechanische Thrombektomie (MT).

Ein gewisser Nachteil dieser Studie liegt darin, dass nur 25% der 118 Patienten mit Schlaganfallsymptomen wirklich einen im MR nachweisbaren Schlaganfall hatten. Man muss folglich davon ausgehen, dass diese Patienten mit mutmaßlich vornehmlich minor stroke günstigere Untersuchungsbedingungen aufwiesen und folglich auch die Bewegungsartefakte seltener waren. Nimmt man nun auch die aufwendigere Lagerung inklusive der Positionierung der Kabel zur Überwachung der Vitalparameter hinzu, dann addieren sich diese nicht vernachlässigbaren Faktoren auf die Gesamtuntersuchungszeit von eben nicht nur 78 Sekunden.

Ziel der Schlaganfall-Bildgebung ist und bleibt das Intervall zwischen Aufnahme und Therapiebeginn so kurz als möglich zu halten. Schnellere Bildgebung ist dabei ein außerordentlich wichtiger oder vielleicht sogar der wichtigste Bestandteil. Nach aktueller Leitlinie ist die Notwendigkeit einer einfachen oder multimodalen Bildgebung in Abhängigkeit des Zeitfensters von Schlaganfallbeginn und der Schwere des Schlaganfalls abhängig. Seit der Level-I-Evidenz für mechanische Thrombektomie 2015 hat sich vieles teilweise dogmatisch zelebriertes zur Diagnostik und Therapie weiterentwickelt. Die gerade veröffentlichte SELECT2-Studie sorgt nun für weitere Verwirrung [1]. In immerhin 20% der Fälle mit bereits nachgewiesenem großen Infarkt bei ACI oder M1-Verschluss mit Schlaganfallbeginn innerhalb 24 Stunden erreichen ein gutes Outcome. Die Studie wurde aufgrund des hoch signifikanten Ergebnisses abgebrochen. Bedeutet dies vielleicht in der naheliegenden Zukunft, dass wir jeden Verschluss eröffnen und damit eine differenzierte Bildgebung auf Gefäßdarstellung und Blutungsausschluss reduzieren? Auch dies würde die Untersuchungszeit deutlich reduzieren.

Zusammenfassend zielt die MR-Bildgebung mit Schlaganfall-MR in 78 Sekunden in die richtige Richtung. Time is brain bedeutet, alles erdenklich Mögliche zu veranlassen, um die Zeit zwischen Aufnahme und Behandlung zu verkürzen.



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Article published online:
26 April 2023

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