Die Wirbelsäule 2023; 07(04): 218
DOI: 10.1055/a-1993-8759
Referiert und kommentiert

Kommentar zu Pedikelschrauben: Navigierte und roboterassistierte versus Freihandimplantation

Katharina Salmoukas

Die Freihandmethode, unterstützt durch intraoperative Fluoroskopie, ist aktuell der Goldstandard zum Setzen von Pedikelschrauben. Hierbei orientiert man sich an anatomischen Landmarken. Erschwerende perioperative Bedingungen, wie zum Beispiel ein hoher Patient*innen-BMI, Deformitäten oder Instabilitäten bei Frakturen können die Operateur*innen vor besondere Herausforderungen stellen. Durch die Etablierung spinaler Navigation und robotergestützter Systeme soll das Risiko intraoperativer Komplikationen, wie Schraubenfehllage und Schäden der neurovaskulären Strukturen, reduziert werden [1]. Die CT-gestützte navigierte Schraubenplatzierung soll bei minimaler Strahlenbelastung des Operationsteams eine schnellere, präzisere Platzierung der Schrauben ermöglichen [1]. Dies ist insbesondere bei langstreckigen Versorgungen vorteilhaft. Zusätzlich ist die Affektion der Facettengelenke bei der navigierten Schraubenplatzierung signifikant geringer [1]. Nachteile des navigierten Vorgehens sind zum Beispiel die prä- und intraoperative Logistik bei surface matching basierenden Methoden, der Aufbau des intraoperativen CTs oder das Kalibrieren der Instrumente. Zeitliche Verzögerungen sowie Fehler können bei zusätzlich notwendigen Arbeitsschritten auftreten. Häufig findet die Navigation auch an der HWS Verwendung. Durch die höhere Beweglichkeit und Rotation der Wirbelkörper bei Aufsetzen eines Instrumentes kann diese hier fehlerbehaftet sein [2]. In der vorgestellten Arbeit wurde eine Metaanalyse durchgeführt. Die 12 RCT-Arbeiten beinhalten insgesamt über 4000 Pedikelschrauben. Der Fragestellung hinsichtlich Sicherheit und Benefit von Navigation bzw. Robotik haben sich damit bereits einige Autoren gewidmet. Aufgrund der vorhandenen Einzelstudien rechtfertigt dies eine Metaanalyse. Die Ein- und Ausschlusskriterien der einzelnen Arbeiten sind klar dargelegt und die durchgeführte Analyse entspricht den hohen Standards des Spine Journals. Hinsichtlich der Interpretation der Ergebnisse ist anzumerken, dass einige der Studien Komplikationen der Freihandmethode aufzeigen, welche jedoch nicht auf die Schraubenplatzierung zurückzuführen sind. Ebenfalls wird bei der Auswertung der Komplikationen nicht zwischen offenen und minimalinvasiven Verfahren unterschieden. Aufgrund dieses Diskurses haben sich nur wenige Wochen nach der Veröffentlichung namenhafte Autoren in einem Brief (Greenberg et al. [3]) an die Autoren gewendet. Gerechtfertigt ist hierbei der Einwand, dass sich durch die Analyse der heterogenen Datenmenge keine signifikante Reduktion der Gesamtkomplikationen ableiten lässt. Eine abschließende Stellungnahme von Matur et al. [4] weist auf das Weiterentwicklungspotenzial der Methode hin. Von Vorteil ist, dass unter Zuhilfenahme der Navigation ein höherer Anteil der Eingriffe in minimalinvasiver Operationstechnik durchgeführt werden kann. Aktuell ist der Einsatz der navigierten Technik unter Berücksichtigung des ökonomischen Aufwandes und der Kosteneffektivität, insbesondere für kleinere Kliniken, kritisch zu betrachten. Zusammenfassend ist die navigierte Technik für Revisionseingriffe, komplexe und langstreckige Versorgungen eine sinnvolle Hilfestellung. Weitere Studien zur Analyse des Langzeitoutcome sind zur genaueren Einschätzung des Verfahrens notwendig.



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
24. Oktober 2023

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