Radiopraxis 2022; 15(04): 170-171
DOI: 10.1055/a-1893-0005
Wissenschaftsnews

Gehirntumoren: Tiefes Lernen statt Gadolinium?

Für die Detektion, Charakterisierung und das Monitoring von Gehirntumoren erfolgen etwa die Hälfte der MRT mit intravenösem, gadoliniumbasierten Kontrastmittel (GBCA). Wegen der potenziellen nephrogenen systemischen Fibrosen und zentralen Ablagerungen soll die Anwendung insbesondere der linearen GBCA auf das Notwendigste reduziert werden. Die Studienautoren nutzten künstliche Intelligenz, um aus Low-Dose-Sequenzen virtuelle vollverstärkte Scans zu generieren. Insgesamt standen Aufnahmen von 200 Patienten zur Verfügung, bei denen der Verdacht auf einen Gehirntumor oder zerebrale Metastasen bestand. 21% hatten ein Gliom, 46% Metastasen, 1% ein Meningeom und 33% keine anreichernde Läsion. 150 Fälle wurden einem Trainingsset und 50 Fälle einem Testset zugeordnet. Ausschlusskriterien waren u. a. unvollständige Untersuchungen, große Artefakte und>20 Läsionen. Im endgültigen Trainingsset waren 107 und im Testset 38 Patienten. Ausgewertet wurden T1-, T2-Flair-, diffusionsgewichtete, Low-Dose- und standarddosierte Postkontrast-T1-Sequenzen. Die automatisierte Analyse der Test-MRT ergab einen Similaritätsindex von 87,1% zwischen den virtuellen Sequenzen und der Referenz (kontrastverstärkte T1-MRT). Das Peak-Signal-Rausch-Verhältnis betrug 31,6 dB und die diagnostische Güte hatte eine AUC von 96,4%. Die Voxel-weise Sensitivität lag bei 96,4% und die Spezifität bei 94,8%. In einem zweiten Schritt analysierten 1 onkologisch versierter Neuroradiologe und 1 Radiologe in Ausbildung die Standarddosis-T1- und virtuellen Sequenzen der Patienten hinsichtlich der Qualität und markierten die Läsionen. Beide Ärzte bewerteten die Qualität der virtuellen Scans signifikant höher (p=0,008). Die läsionsabhängige Sensitivität betrug 83% bei Tumoren>10 mm (n=42). Die Falsch-positiv-Rate lag bei 0,08 Läsionen/Patient. Daraus resultierte ein positiver prädiktiver Wert von 92%. Bei kleineren Tumoren ergaben sich weniger zuverlässige Resultate. Die Sensitivität betrug für 74 Läsionen>5 mm 67% und größenunabhängig 56%. Der positive prädiktive Wert lag über 73%.

Dr. med. Susanne Krome, Melle

Fazit

Für die Einsparung gadoliniumbasierten Kontrastmittels werden 3 Strategien verfolgt: andere Sequenzen, andere Kontrastmittel und auf tiefem Lernen basierende Algorithmen. Ammari et al. setzten auf künstliche Intelligenz und attestieren den virtuellen Scans eine vielversprechende Performanz. Dies galt allerdings nur bei einer Läsionsgröße > 10 mm. Die Vorhersage falsch positiver Tumoren zeige die aktuellen Grenzen der Methode und gleichzeitig, dass volldosierte GBCA essenziell für die korrekte neuroradiologische Diagnostik blieben. Indikationen für die vorgestellte Alternative könnten Wiederholungsuntersuchungen,benigne Tumoren, diff erenzierte Gliome und multiple Sklerose sein. Auch bei abdominellen MRT sei eine Verwendung virtueller Scans denkbar.



Publication History

Article published online:
01 December 2022

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