Gastroenterologie up2date 2023; 19(04): 385-397
DOI: 10.1055/a-1824-0120
Ösophagus/Magen/Duodenum

Das intestinale Mikrobiom bei gastroenterologischen Krankheitsbildern

Opfer und Täter
Wolfgang Reindl

Zwischen dem intestinalen Mikrobiom und dem Individuum besteht eine intensive, lebenslange Wechselwirkung. Das Mikrobiom reguliert physiologische Prozesse und ist gleichzeitig Zielstruktur für regulatorische Eingriffe des Wirts. In den letzten Jahren konnte gezeigt werden, dass das intestinale Mikrobiom aufgrund dieser Stellung eine wichtige Rolle bei einer Vielzahl von gastroenterologischen Krankheitsbildern spielt, aber auch eine wichtige therapeutische Option darstellen kann.

Kernaussagen
  • Das Darmmikrobiom entsteht in den ersten Lebensjahren und besteht bei einem gesunden Erwachsenen aus einer individuellen Mischung aus hunderten verschiedener Bakterienarten. Daneben existiert eine Population aus Viren, Pilzen und Archaeen, die allerdings aktuell noch nicht vollständig verstanden ist.

  • Über eine verbesserte Analytik ist es in den letzten Jahren zunehmend möglich, nicht nur Veränderungen in der Zusammensetzung des Mikrobioms, sondern auch in dessen Funktionalität zu erkennen.

  • Die Aufgaben des Mikrobioms sind:

    • Barriere zum Schutz vor Infektionen mit invasiven Pathogenen,

    • immunregulatorische Wirkung auf das intestinale Immunsystem,

    • Produktion einer Vielzahl nützlicher Stoffwechselprodukte.

  • Kurzkettige Fettsäuren (SCFA) spielen sowohl eine Rolle als Energieträger als auch als Regulatoren im intestinalen Immunsystem.

  • Das Mikrobiom ist ein wesentlicher Einflussfaktor für die Entstehung von Adenomen und Karzinomen im Kolon.

  • Darüber hinaus sind bestimmte Erreger im Mikrobiom in der Lage, die Wirkung von Chemotherapeutika wie 5-Fluorouracil, Gemcitabin, Oxaliplatin zu reduzieren; eine Modifikation des Mikrobioms kann also helfen, die Effektivität von Medikamenten bei Kolonkarzinom zu verbessern.

  • Eine Vielzahl von – allerdings kleinen – Studien hat verschiedene Veränderungen in der Zusammensetzung des Darmmikrobioms mit dem Reizdarmsyndrom in Verbindung gebracht. Diätetische Interventionen oder der fäkale Mikrobiomtransfer können hier Linderung bringen und befinden sich in Erprobung.

  • In der Therapie von (wiederholten) Rezidiven einer Clostridioides-difficile-Infektion kommt inzwischen der fäkale Mikrobiomtransfer (FMT) zum Einsatz und kann bei diesen Patienten langfristige Remissionen erreichen, jedoch ist der FMT derzeit immer noch eine Option der letzten Wahl und bedarf einer guten Begründung.

  • Ein verändertes Mikrobiom führt zu einem veränderten Gallensäurestoffwechsel und zu einer verminderten Produktion kurzkettiger Fettsäuren. Sowohl ein Überschuss als auch ein Mangel an kurzkettigen Fettsäuren haben eine potenziell leberschädigende Wirkung.



Publication History

Article published online:
12 December 2023

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