Z Geburtshilfe Neonatol 2022; 226(04): 283-284
DOI: 10.1055/a-1761-9932
Geschichte der Perinatalmedizin

Ungewöhnliche künstlerische Darstellung eines Kaiserschnittes wegen Beckenendlage ohne Narkose aus Peru

Matthias David
,
Andreas D. Ebert

Für die bildende Kunst schien der legendäre Kaiserschnitt eine reizvolle Aufgabe zu sein. Relativ häufig trifft man in frühen Aquarellen, Holzschnitten und Kupferstichen auf die Wiedergabe solcher ´künstlicher Geburten´…“ [1] . Sie sind bereits in Büchern aus dem frühen Mittelalter nachweisbar. Eine der ältesten Darstellungen einer Sectio caesarea aus dem orientalischen Raum ist eine Miniaturzeichnung aus dem Jahre 646 [1]. Eine ausführliche und lesenswerte Zusammenstellung zur „Geschichte der Darstellung der Schnittentbindung an der Lebenden und der Toten“ hat Zglinicki 1990 publiziert [1]. Teils drastische Darstellungen von Geburten finden sich auch in der modernen der Malerei des 20. Jahrhunderts, z. B. bei Max Beckmann (1884–1950) [2] oder bei Maina-Miriam Munsky (1943–1999) [3]. Beeindruckend sind die von Volker Lehmann zusammengetragenen Abbildungen von Kaiserschnitten ohne Narkose an lebenden Frauen [4].

Aber dreidimensionale Darstellungen einer Kaiserschnittgeburt in Form einer Skulptur oder Plastik sind zumindest in der europäischen Kunst wohl nur sehr selten zu finden.

Auch deswegen handelt es sich bei der 1986 von einer Reise aus Peru mitgebrachten Tonplastik um ein sehr interessantes künstlerisches Kleinod ([Abb. 1]). Die typisch peruanische Handarbeit aus gebranntem Ton wurde auf einem Markt in Cusco erworben. Cusco ist die am höchsten gelegene Stadt in den peruanischen Anden und war einst die Hauptstadt des Inkareiches [5].

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Abb. 1 Hohle peruanische Tonplastik mit ungewöhnlicher Darstellung eines Kaiserschnittes. Die Abmessungen betragen in der Länge 14 cm, in der Breite 10 cm und in der Höhe ~ 16 cm. Quelle: medizinhistorische Sammlung von A. Ebert; Foto: M. David.

Dargestellt ist eine schwangere Frau in einer angedeuteten Walcher´schen Hängelage. Sie liegt auf einer Art Diwan mit Kopfstütze. Ihre Gesichtszüge drücken Schmerz aus. Ihr Oberkörper ist nackt. Man sieht unter einem breiten Pfannenstiel-Schnitt ihren Rock, der bis zu den Knöcheln reicht. Auf der rechten Seite der Patientin steht ein Mann, der mit seinen überproportional großen Händen ein Kind aus Beckenendlage entwickelt. Die Beine des Kindes sind bereits bis zu den Hüften sichtbar. Die linke Hand des Arztes (?) scheint einen gewissen Druck auf den Uterus auszuüben. Die Haltung des Mannes ist gebeugt und angespannt, sein bärtiges Gesicht ist besorgt, sein Jackett offen. Die ganze Kaiserschnittszene ist sehr dynamisch dargestellt und lässt einige Fragen offen:

Lebt die dargestellte Schwangere noch oder ist sie bereits tot? Sehen wir hier also einen Kaiserschnitt an einer Sterbenden? Wird hier verzweifelt versucht, wenigstens das Kind der sterbenden Frau im letzten Augenblick zu retten?

Ist der Mann ohne Mundschutz tatsächlich ein Arzt, ein Geburtshelfer? Für einen Arzt würden die über die Ellenbeugen reichenden Handschuhe sprechen, deren Material nicht zu erahnen ist. Aber vielleicht ist er gar kein Arzt, sondern der Ehemann der Schwangeren oder ein Bekannter der Familie? Kam der eigentlich gerufene Arzt nicht, kam er zu spät oder grade noch rechtzeitig? Auch über den weiteren Verlauf der dargestellten Operation und die Prognose von Mutter und Kind kann nur spekuliert werden.

Trotz umfangreicher Internet- Recherchen ist es den Autoren leider nicht gelungen mehr über die ungewöhnliche kleine Plastik, z. B. den konkreten Anlass und die Zeit ihrer Entstehung, sowie den Künstler herauszufinden.



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Article published online:
23 August 2022

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