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DOI: 10.1055/a-1747-7110
Kommentar zu „Frühe Trainingstherapie hilft Patienten nach akuter Herzinsuffizienz“
Die Kardiologische Rehabilitation (KardReha) für Patienten mit Herzinsuffizienz ist in allen Leitlinien, international (AHA/ACC, ESC) und national (AWMF, NVL), mit hohem Evidenz- und Empfehlungsgrad enthalten. Im Gegensatz zu den Patienten nach akutem Koronarsyndrom oder Bypass-OP, ist „Herzinsuffizienz“ jedoch lediglich bei etwa 10% der Patienten die primäre Einweisungsdiagnose in die KardReha in Deutschland [1]. Darüber hinaus werden insbesondere ältere und multimorbide Patienten signifikant seltener einer KardReha zugewiesen [2]. Zu dieser Problematik leistet die Studie von Kitzman et al. einen wichtigen Beitrag.
Obwohl die hier rehabilitierten Patienten in einem fortgeschrittenen Stadium der Herzinsuffizienz waren (80% NYHA III und IV; Nt-proBNP 1395 bis 8637 pg/ml), im Mittel 73 Jahre alt und zu über 90% die Kriterien der Gebrechlichkeit vollständig oder teilweise erfüllten, konnte die trainingsbasierte Rehabilitation ohne relevante Komplikationen durchgeführt werden. Dies entspricht auch der klinischen Erfahrung des Autors. Durch eine individuell angepasste, langsam gesteigerte Trainingsintensität wurden 4 motorische Hauptqualitäten (Ausdauer, Kraft, Koordination, Flexibilität) verbessert und der primäre Studienendpunkt als validierter Summenscore der körperlichen Funktionen signifikant gesteigert. Diese Fähigkeiten sind für eine selbstbestimmte Versorgung und die Beweglichkeit im Alltag sowie als Sturzprophylaxe entscheidend. Auch alle Subgruppen zeigten einen klaren Trend zugunsten der Reha-Intervention. Eine signifikante Reduktion klinischer Endpunkte wurde nicht erreicht. Dazu war die Kohorte zu klein und das Follow-Up mit 6 Monaten zu kurz.
In dieser Studie war der frühe Beginn der Reha-Maßnahmen, unmittelbar nach Rekompensation und Stabilisierung der Herzinsuffizienz, wichtig. Damit passt die hier beschriebene Intervention sehr gut zu dem in Deutschland etablierten System der Anschluss-Rehabilitation (AHB), die unmittelbar nach Entlassung aus der Akutklinik beginnt. Das Fortführen der Reha-Maßnahmen über Monate ist in Deutschland bei Patienten mit Herzinsuffizienz jedoch noch nicht üblich. Um dieses Manko auszugleichen werden jetzt die neuen ambulanten Herzinsuffizienzgruppen der DGPR in ganz Deutschland etabliert [3]. Diese sind von allen Kostenträgern anerkannt und sollen die positiven Effekte der körperlichen Trainingstherapie nach Entlassung aus der KardReha bei Patienten mit Herzinsuffizienz verstetigen [4].
In der Studie von Kitzman et al. wurde die Bewegungstherapie in ambulanten Reha-Einrichtungen fortgeführt, an drei Tagen pro Woche, für jeweils 60 Minuten Dauer, über 12 Wochen, oder maximal 36 Sitzungen, „sobald der Patient dazu in der Lage war“. Allerdings wurden die besonders schwachen Patienten von Therapeuten zuhause betreut, bis sie körperlich in der Lage waren, die Reha in den ambulanten Einrichtungen aufzunehmen. Damit unterscheidet sich diese 1:1 Betreuung in der Studie sehr deutlich vom Versorgungsalltag der Patienten in Deutschland und es bleibt auch insgesamt fraglich, ob die hier erzielten Ergebnisse auf die große Allgemeinheit der multimorbiden Patienten mit dem klinischen Syndrom Herzinsuffizienz übertragen werden können. Von 27300 stationär aufgenommen Patienten mit kardialer Dekompensation wurden nach Screening der elektronischen Patientenakten 98,7% wegen vorliegender Ausschlusskriterien nicht weiter evaluiert. Aus dieser superselektionierten Entität konnten jedoch 87% der randomisierten Patienten (304 von 349) die Trainings-basierte Rehabilitation über 6 Monate zu Ende führen. Die Adhärenz zu den Reha-Anwendungen war mit 78 ± 3% sehr hoch.
Zusammenfassend sollte die Trainings-basierte-Rehabilitation auch in Deutschland ein fester Bestandteil der sektorenübergreifenden, multiprofessionellen Therapie der Patienten mit Herzinsuffizienz werden. Entscheidend dafür sind die Überwindung von Zugangsbarrieren an den Schnittstellen zwischen den Leistungserbringern, ein früher Beginn der Bewegungstherapie nach Rekompensation und deren Fortsetzung am Wohnort. Entscheidend für den Erfolg sind die sorgfältige Auswahl der Patienten und die Adhärenz zu dieser nicht-pharmakologischen Therapie. Die adäquaten Auswahlkriterien auf Patientenseite müssen jedoch weiter evaluiert werden. Dabei dürfen Alter und Gebrechlichkeit keine Ausschlusskriterien für eine trainingsbasierte Rehabilitation von Patienten mit Herzinsuffizienz sein. Das hat die Studie von Kitzman et al. sehr deutlich gezeigt.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
28. März 2022
© 2022. Thieme. All rights reserved.
Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany
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Literatur
- 1 Deutsche Herzstiftung. Deutscher Herzbericht 2020. Frankfurt am Main: Deutsche Herzstiftung; 2020: 165
- 2 Jünger C, Rauch B, Schneider S. et al. Effect of early short-term cardiac rehabilitation after acute ST-elevation and non-ST-elevation myocardial infarction on 1-year mortality. Curr Med Res Opin 2010; 26: 803-811 DOI: 10.1185/03007991003604216. (PMID: 20121656)
- 3 Wienbergen H, Schwaab B, Bjarnason-Wehrens B. et al. Ärztliche Betreuung von ambulanten Herzgruppen. Positionspapier der Deutschen Gesellschaft für Kardiologie – Herz- und Kreislaufforschung (DGK) in Kooperation mit der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation von Herz-Kreislauferkrankungen (DGPR). Kardiologe 2020; DOI: 10.1007/s12181-020-00433-w.
- 4 Güder G, Wilkesmann J, Scholz N. et al. Establishing a cardiac training group for patients with heart failure: the “HIP-in-Würzburg” study. Clin Res Cardiol 2021; DOI: 10.1007/s00392-021-01892-1.