Laryngorhinootologie 2022; 101(06): 518-538
DOI: 10.1055/a-1739-6662
Facharztwissen HNO

Vestibularisschwannome – Basis- und Verlaufsdiagnostik

Vestibular schwannomas – baseline and progress diagnostics
Max Kemper
1   Klinik und Poliklinik für Hals-, Nasen- und Ohrenheilkunde, Universitätsklinikum Carl Gustav Carus, Dresden
,
Katja Paliege
,
Thomas Zahnert
› Author Affiliations

Vestibularisschwannome sind seltene, benigne Schwannome von Kleinhirnbrückenwinkel, innerem Gehörgang oder Innenohr. Die häufigsten Symptome sind eine Hörstörung mit oder ohne Tinnitus sowie Gleichgewichtsstörungen. Aufgrund der zunehmenden Detektion kleinerer Tumoren im MRT und des wachsenden Anteils von fast asymptomatischen Patienten ist ein Umdenken von der reinen Bildgebung zu einer genauen Analyse der Hör- und Gleichgewichtsfunktion nötig.

Abstract

Vestibular (vestibulocochlear) schwannomas are rare, benign schwannomas of the cerebellopontine angle, the internal auditory canal, or the inner ear. They can occur with or without clinical symptoms. The most common symptoms are unilateral or side-differentiated hearing loss with or without tinnitus and balance disorders. Initial symptomatology is nonspecific in the basic functional diagnosis, raising the question of when a hearing or balance disorder should be thought of as a differential diagnosis of vestibular schwannoma and what diagnostic pathway is appropriate. This concerns not only the confirmation of the diagnosis and the recording of all dysfunctions of the involved cranial nerves in the initial basic diagnostics, but also the procedure in the course and follow-up diagnostics – especially in patients who are subject to an observation strategy. Today, imaging alone is no longer sufficient for differentiated and individualized patient counseling. Due to the increasing detection of smaller tumors on MRI and the growing proportion of nearly asymptomatic patients, a shift in thinking from pure imaging monitoring to a detailed analysis of auditory and vestibular function is timely. In this educational article, diagnostic pathways for a sufficient patient consultation will be compiled. Ultimately, functional examination techniques from follow-up and progression diagnostics will also be included.

Kernaussagen
  • Vestibularisschwannome sind benigne Tumoren der Schwann-Zellen des N. vestibulocochlearis, die am häufigsten vom N. vestibularis inferior ausgehen. Sie gehören zu den häufigsten Tumoren des Kleinhirnbrückenwinkels.

  • MR-morphologisch werden die Vestibularisschwannome international am häufigsten nach der Klassifikation von Koos eingeteilt.

  • Aufgrund des Ursprungs ist das häufigste audiologische Erstsymptom der asymmetrische Hörverlust. Da dieser sich meist langsam entwickelt, ist Schwindel das häufigste subjektive Erstsymptom, gefolgt von Tinnitus und weiteren Hirnnervenausfällen.

  • Audiologische Basisdiagnostika sind Reintonaudiogramm, Sprachaudiogramm, Impedanzaudiometrie, Messung der OAE und BERA.

  • Vestibuläre Basisdiagnostika sind die Untersuchung der Spontan- und Provokationsnystagmen sowie der vestibulospinalen Reflexe, der Video-Kopfimpulstest, die Kalorik und die okulären sowie zervikalen VEMP.

  • Kleine Tumore können mit regelmäßigen bildmorphologischen und funktionellen Untersuchungen, insbesondere des Hör- und Gleichgewichtsorgans, observiert werden. Bei Wachstum, Schwindel oder progredienter Schwerhörigkeit steht ein Strategiewechsel zur Diskussion.

  • Der audiologische Befund mit einem einseitigen Hörschwellenunterschied im Reintonaudiogramm von mindestens 20dB in 2 benachbarten Frequenzen oder von mindestens 15dB in 2 Frequenzen zwischen 2 und 8kHz sollte ein MRT nach sich ziehen.

  • Unter „Wachstum“ wird nach EAONO eine Größenänderung innerhalb eines Jahres in 2 aufeinanderfolgenden MRT-Untersuchungen von mehr als 3mm verstanden.

  • In der Nachsorge sollte mittels regelmäßiger MRT ein Tumorrezidiv ausgeschlossen und mit regelmäßiger vestibulärer Diagnostik die vestibuläre Kompensation kontrolliert werden. Zudem ist ggf. die Indikation für ein Cochlea-Implantat zu prüfen.



Publication History

Article published online:
20 June 2022

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