Krankenhaushygiene up2date 2022; 17(01): 3-4
DOI: 10.1055/a-1706-1442
Editorial

Antibiotic Stewardship und Infektiologie – Quo vadis?

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Prof. Dr. med. Bernd Salzberger

Der Artikel „Antibiotic Stewardship im Krankenhaus – ein Update“ ist ein willkommener Anlass für einen kurzen Blick auf die Geschichte, Gegenwart und die Zukunft dieses Programms und den klinischen Teil der Infektionsmedizin, die Infektiologie, in Deutschland [1].

Die Inititalzündung in Deutschland ging von der Abteilung Infektiologie an der Universitätsklinik Freiburg aus. W. Kern, K. de With und Mitstreiter haben mit Förderung des Bundesministeriums für Gesundheit eine Fortbildung in Antibiotic Stewardship konzipiert und in der Deutschen Gesellschaft für Infektiologie über die Akademie für Infektionsmedizin verankert.

In vier Stufen führt diese Fortbildungsreihe vom Basic- bis zum Expert-Kurs. Sie ist weithin anerkannt, die Nachfrage ist groß und Kurse sind rasch ausgebucht. Mehrere hundert Ärzte und Apotheker haben diese Reihe durchlaufen und arbeiten nun in ABS-Teams in Krankenhäusern in Deutschland. Der Abschluss der Kursreihe beinhaltet die Durchführung und Auswertung eines eigenen ABS-Projekts am eigenen Krankenhaus. Regelmäßig wird in diesen Kursen die Etablierung eines Konsils für Bakteriämien mit S. aureus vorgestellt, mit dem die Qualität der Therapie für diese Erkrankung verbessert wird. Nach den internationalen Erfahrungen kann man vermuten, dass allein die rasche Etablierung dieser Projekte in vielen Kliniken Menschenleben gerettet hat. Die Leitlinie zu den ABS-Programmen (eine S3-Leitlinie, initiiert von K. de With) ist bereits einmal aktualisiert (2019) und hat wichtige Impulse für die Einführung solcher Programme in Deutschland gegeben. Flankierend haben die Initiatoren ein ABS-Netzwerk zum Austausch und Kontakt der Absolventen eingerichtet, jährliche Netzwerktreffen finden statt [2]. Antibiotic Stewardship ist in Deutschland also nicht nur angekommen, sondern etabliert – die Karte des ABS-Netzwerks zeigt dies eindrücklich und der Artikel von Juzek-Küpper und Lemmen fasst den aktuellen Wissensstand zu ABS in den Krankenhäusern konzise zusammen [1]. An einer Stelle nur hat er nicht den aktuellen oder besser zukünftigen Stand benannt: die Qualifikation Infektiologie ist mittlerweile zweigleisig. Zusätzlich zu der Zusatzweiterbildung Infektiologie, die von allen klinisch tätigen Fachärztinnen und Fachärzten und denen für Mikrobiologie und Infektionsepidemiologie erworben werden kann, hat der Ärztetag 2021 auch die Einführung einer Facharztweiterbildung für Innere Medizin und Infektiologie beschlossen. Als erste Landesärztekammer hat Rheinland-Pfalz diesen nun eingeführt, die anderen sind auf dem Weg. Dazu beigetragen hat neben den bekannten Problemen der Antibiotikaresistenz auch die aktuelle Pandemie – ohne sie wäre der Weg vermutlich noch etwas länger gewesen. Aber in einem hochspezialisierten Gesundheitssystem wie dem deutschen ist diese Disziplin in der Tiefe einer mehrjährigen Weiterbildung für die Behandlungsqualität fast unerlässlich. Mit dem neuen Facharzt wird die klinische Infektionsmedizin noch einmal gestärkt, die intensive dreijährige Spezialisierung in der Infektiologie hebt die Weiterbildung nun auf den Standard, wie er in den USA, in einigen Ländern der EU und der Schweiz seit längerem definiert ist. Arbeitsplätze für Ärztinnen und Ärzte mit dieser Qualifikation wird es zunächst vor allem in Universitätskliniken und Kliniken der Maximalversorgung geben. Anders als in der Geriatrie gibt es bisher keine eigenen DRG-Codes für Behandlungen durch qualifizierte Infektiologen, aber in Analogie zu anderen Behandlungsstandards wird es in Zukunft für Zentren für Gelenkprothetik sicher notwendig sein, auf solche Spezialkenntnisse vor Ort zurückgreifen zu können. Auch Transplantationsprogramme werden mit entsprechenden Standards hier international gleichziehen.

Welche Konsequenzen hat diese Entwicklung für die ABS-Programme? Viele der Punkte, die mit ABS-Programmen zu einer besseren Behandlungsqualität führen sollen, sind genuin klinische Interventionen, von Konsilen für S.aureus-Bakteriämien und Candidämien bis zur Beurteilung der Plausibilität bzw. Schweregrad einer ß-Laktam Allergie. Diese Aufgaben werden mehr und mehr aus dem Zentrum der ABS-Programme diffundieren und von Fachärztinnen und Fachärzten mit Zusatzweiterbildung oder der Facharztweiterbildung übernommen werden. Dies aber als aktuelle Bedrohung für die Arbeit der ABS-Programme anzusehen wäre falsch: Weiterbildungsplätze in der Infektiologie sind bisher nur an wenigen Orten vorhanden, die Umstellung der Weiterbildung vor allem in den Zentren für Infektiologie wird allein durch die Verlängerung der Zeit zu einer langsameren „Lieferkette“ führen. Und auch Plätze für die Zusatzweiterbildung sind noch rar, die großen klinischen Fächer Chirurgie und Anästhesie haben einen erheblichen Aufbaubedarf.

ABS-Programme sollten deshalb nicht fürchten in Zukunft überflüssig zu werden. Die Umverteilung von Aufgaben wird Zeit benötigen Und die Veränderungen bieten – wie bei allen Veränderungen – auch Chancen für die ABS-Arbeit. In der Zukunft wird die andere Arbeitsverteilung es ermöglichen, das Monitoring, Berichtswesen und Benchmarking zum Antibiotikaeinsatz auszubauen und zu verbessern. Die Interdisziplinarität der Teams kann durch die neuen Strukturen der Weiterbildung gestärkt werden. Die Pandemie hat uns nicht nur diese neue Weiterbildung und das Verständnis für stockende Lieferketten gebracht: digitale Kommunikation kann auch die Netzwerkarbeit der ABS-Programme und damit deren Effizienz verbessern. Und vielleicht wird es dann auch möglich sein, Strukturen für Antibiotic Stewardship in der ambulanten Medizin aufzubauen – immerhin wird hier immer noch der größte Teil der Antibiotikatherapie eingesetzt.

Ihr
Prof. Dr. med. Bernd Salzberger
Abt. für Krankenhaushygiene und Infektiologie
Universitätsklinikum Regensburg



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Article published online:
22 February 2022

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