JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2022; 11(01): 41
DOI: 10.1055/a-1679-9206
BHK-Mitteilungen
Mitteilungen für die Mitglieder des Bundesverband Häusliche Kinderkrankenpflege e.V.

Mobiles, smartes Neurosensorsystem für die Detektion und Dokumentation epileptischer Anfälle im Alltag

Epilepsien sind eine der häufigsten Begleiterkrankungen bei Menschen mit einer geistigen Behinderung. Eine Beaufsichtigung von Betroffenen im Pflegealltag ist wesentlich, um bei unvorhersehbaren Anfällen mit Kontrollverlust über verschiedene Körperfunktionen schwerwiegende Verletzungen zu vermeiden. Das Auftreten von unbeobachteten generalisiert tonisch-klonischen Anfällen kann zu Herz- und Atemstillstand führen und ist Hauptursache für die erhöhte Sterblichkeit bei Epilepsie.

Ein rechtzeitiges Erkennen oder im Bestfall eine Vorhersage eines Anfalls kann Pflegende unterstützen, Sicherheitsmaßnahmen für Betroffene zu ergreifen. Neben einer solchen Früherkennung kann eine genaue Aufzeichnung von Anfällen die individuelle Abstimmung der Therapie unterstützen. Bisherige Studien zeigen jedoch, dass die Hälfte der Anfälle nicht dokumentiert wird oder falsche Angaben durch Betroffene gemacht werden. Gründe sind beispielsweise die gestörte Wahrnehmung der eigenen Anfälle, die Anfallsamnesie oder späteres Vergessen eines stattgefundenen Anfalls. Da symptomarme epileptische Anfälle meist auch von Außenstehenden nicht bemerkt werden, ist die Dokumentation durch Angehörige und Pflegekräfte ebenfalls fehleranfällig.

Partner aus Industrie, Wissenschaft und der medizinischen Versorgung erforschen im vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG) geförderten Projekt MOND – Mobiles, smartes Neurosensorsystem für die Detektion und Dokumentation epileptischer Anfälle im Alltag ein KI-basiertes Sensorsystem zur automatisierten Detektion epileptischer Anfälle im Alltag. Die Erfassung erfolgt über ein am Ohr getragenes Sensorsystem, das die mobile Ableitung eines Elektroenzephalogramms (EEG) im Alltag ermöglichen soll. Das Projekt basiert auf Ergebnissen des vom BMBF geförderten Vorgänger-Projekts EPItect – Pflegerische Unterstützung epilepsiekranker Menschen durch innovative Ohr Sensorik (FKZ: 16SV7482) auf. In EPItect wurden Algorithmen auf Basis der Beschleunigungsdaten sowie der Herzrate entwickelt. Eine klinisch bedeutsame Verbesserung der Anfallszählung konnte mittels dieser Daten nicht erreicht werden. Mit Einsatz des mobilen EEGs sowie Methoden der künstlichen Intelligenz wird weiter geforscht. Aktuell laufen klinische Studien am Universitätsklinikum Bonn sowie am Universitätsklinikum Marburg, um Daten für die Entwicklung der Algorithmen zur Anfallsdetektion zu erheben.

Um den Weg eines solchen Sensorsystems in die Versorgung zu ebnen, werden zudem neue digitalgestützte Versorgungformen aus unterschiedlichen Perspektiven erforscht. Eine digitale Gesundheitsanwendung auf dem Smartphone verknüpft dabei Sensordaten, Betroffenentagebuch sowie die medizinische und pflegerische Dokumentation datenschutzkonform.

Zur Markteinführung sowie Integration in bestehende Prozesse wird eine Roadmap erarbeitet, die neben den gesundheitsökonomischen Aspekten auch gesetzliche Rahmenbedingungen wie beispielsweise das Digitale-Versorgungs-Gesetz oder die Medical Device Regulation sowie die Integration in die nationale Telematikinfrastruktur sowie in bestehende Systeme in Gesundheitseinrichtungen berücksichtigt.

Das große Interesse an digitalen Gesundheitsanwendungen konnte schon im Vorgängerprojekt EPItect in einer Studie an der Abteilung für Epileptologie am Universitätsklinikum Bonn und dem Norddeutschen Epilepsiezentrum in Schwentinental-Raisdorf gezeigt werden. 40 Patienten (20 Erwachsene und 20 Kinder/Jugendliche beziehungsweise deren Erziehungsberechtigte) bekamen die Möglichkeit, eine mobile Applikation sowie ein Portal zu testen und an einer Befragung teilzunehmen. Am meisten interessierten sich die Teilnehmer für die Möglichkeit, Ärzten über die mobile Anwendung einen Fernzugriff auf das Anfallstagebuch zu ermöglichen. Großen Zuspruch fand ebenfalls die Funktion zum Management von Notfällen. Die meisten Teilnehmer wären bereit, digitale Gesundheitsanwendungen in die tägliche Routine zu integrieren.

M. Sc. Salima Houta,

Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Abteilung Healthcare

Fraunhofer-Institut für Software- und Systemtechnik (ISST), Emil-Figge-Str. 91, D-44227 Dortmund

IMPRESSUM

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Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
08. Februar 2022

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