Zeitschrift für Orthomolekulare Medizin 2021; 19(03): 5-6
DOI: 10.1055/a-1606-1572
Aktuell

Extrathyreoidale Effekte von molekularem Iod (I2)

Uwe Gröber

Nach den Daten des Jodmonitorings (BMEL, RKI) ist die Iodversorgung der Deutschen weiterhin nicht nur unzureichend, sondern sogar wieder rückläufig. Bis zu 30 % der Erwachsenen und 44 % der Kinder und Jugendlichen weisen schlechte alimentäre Versorgung mit Iod auf. Das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) hat daher im März 2021 in einer aktuellen Stellungnahme empfohlen, die Anreicherung von Speisesalz mit Iod um 5 mg/kg Salz zu erhöhen. Damit würde der bisher geltende Jodierungsbe-reich für Speisesalz von derzeit 15–25 mg auf 20–30 mg steigen– eine längst überfällige Maßnahme, die vonseiten des Arbeitskreises Iodmangel bereits seit vielen Jahren gefordert wird.

Iod ist bekanntlich ein essenzielles Spurenelement, das v. a. im Schilddrüsenhormonstoffwechsel und für die Entwicklung des Zentralnervensystems wichtig ist. Ein Großteil des gesamten Iodvorkommens im menschlichen Organismus findet sich allerdings in extrathyreoidalen Geweben. Neben der Schilddrüse kann Iod von zahlreichen weiteren Geweben aktiv über sog. Natrium-Iodid-Symporter (NIS) aufgenommen (z. B. Brustdrüse, Gebärmutterhals, Gehirn, Magenschleimhaut, Prostata, Speicheldrüsen) werden. So wird Iodid (I-) sowohl in den Thyreozyt als auch in die aktive Brustdrüsenzelle über einen spezifischen Transporter (NIS) aufgenommen. In der Brustdrüse unterliegt dieser Prozess bspw. während der Stillzeit der Stimulation durch die Hormone Prolactin (PRL) und Oxytocin (Oxy). Der Großteil des Iodids (I-) wird in Schilddrüsenhormone bzw. Iod-Casein eingebaut, der geringere Anteil in Lipide. Es entsteht Iodlakton, welches das autonome Wachstum der Schilddrüse und anderer Gewebe (z. B. Brustdrüse) reguliert [Abb. 1]. Bei Iodmangel werden von Thyreozyten verschiedene Wachstumsfaktoren (z. B. Epidermal Growth Factor, EGF) gebildet. Diese spielen z. B. in der Pathophysiologie proliferierender Brustdrüsenerkrankungen und des Mammakarzinoms eine bedeutende Rolle.

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Abb. 1 Iod reguliert über Iodlakton das autonome Wachstum der Brustdrüse. Quelle: Uwe Gröber

Ein aktueller Peer-Review der mexikanische Arbeitsgruppe um Carmen Aceves von der Nationalen Autonomen Universität von Mexiko stellt die Unterschiede zwischen molekularem Iod (I2) und Iodid (I-) dar sowie die antioxidativen, anti-inflammatorischen und apoptotischen Eigenschaften des I2 [1]. In ihrer Arbeit schlagen die Forscher vor, dass die Zufuhr von I2 bei Erwachsenen mit spezifischen Erkrankungen (z. B. Krebs) mind. auf 1 mg/d erhöht werden sollte, um die extrathyreoidalen Vorteile von I2 auszunutzen. Im Jahre 2019 hatte ihre Arbeitsgruppe in einer Pilot-Studie bereits gezeigt, dass I2 (I2: 5 mg/d, Zeitraum: 170 d) die Effektivität einer Chemotherapie (FEC / TE) verbessert, Chemotherapie-induzierten Nebenwirkungen (z. B. Neutraopenie) entgegenwirkt und das krankheitsfreie Überleben (v. a. in fortgeschrittenen Stadien, z. B. Stadium III) verlängert. Darüber hinaus induzierte I2 die Re-Differenzierung von Tumorzellen und Reaktivierung der Antitumor-Response des Immunsystems [2]. In der neusten Arbeit von August 2021 zeigt dieselbe Arbeitsgruppe Synergieeffekte auf zwischen I2 und dem Stickstofflost-Derivat Cyclophosphamid – dessen Chemosensitivität steigert I2 im Tiermodell des Neuroblastoms. Dabei wirkt I2 u. a. als mitochondrial wirksames Zytostatikum mit hoher Tumorspezifität (→ Mitocan) und konnte gleichzeitig Nebenwirkungen der chemotherapeutischen Intervention verringern [3].

Uwe Gröber



Publication History

Article published online:
07 October 2021

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  • Literatur

  • 1 Aceves C, Mendieta I, Aguiano B. et al. Molecular Iodine Has Extrathyroidal Effects as an Antioxidant, Differentiator, and Immunomodulator. Int J Mol Sci 2021; 22 (03) : 1228
  • 2 Morena-Vega A, Vega-Riveroll L, Ayala T. et al. Adjuvant Effect of Molecular Iodine in Conventional Chemotherapy for Breast Cancer. Randomized Pilot Study. Nutrients 2019; 11 (07) . pii: E1623. DOI: 10.3390/nu11071623.
  • 3 Alvarez-Leon W, Mendieta I, Delgado-Gonzalez E. et al. Molecular Iodine/Cyclophosphamide Synergism on Chemoresistant Neuroblastoma Models. Int J Mol Sci 2021; 22 (03) : 8936