Kinder- und Jugendmedizin 2021; 21(05): 311-312
DOI: 10.1055/a-1591-6597
Zu diesem Heft

Kinder- und Jugendmedizin

Gerd Horneff

Aktuelle Themen aus der Kinderrheumatologie

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Prof. Dr. med. Gerd Horneff

Unter dem Dach der Initiative für das rheumakranke Kind e. V. findet jährlich ein Treffen einer Gruppe führender deutscher Kinderrheumatologinnen und Kinderrheumatologen in Wörlitz an der Elbe statt, zu dem aktuelle Themen aus der Kinderrheumatologie diskutiert werden, auch mit dem Ziel, der Konsensusfindung. Die hier besprochenen Themen sind für die Spezialisten brandaktuell und also von großem Interesse. Sie geben demnach einen Ausblick auf die anstehenden Entwicklungen in der Kinderrheumatologie.

Bedingt durch die SARS-CoV2-Pandemie hat das schon traditionelle Treffen, es sollte die 23. Veranstaltung sein, in 2020 nicht stattfinden können und ist auch in 2021 nicht zu realisieren. Aus den geplanten Beiträgen wurden die Vortragsmanuskripte in schriftliche Arbeiten umgewandelt und können nun in dieser Ausgabe der Zeitschrift Kinder- und Jugendmedizin präsentiert werden.

In einem ersten Artikel stellen Frau Prof. Dr. Kirsten Minden und Dr. Sae Lim von Stuckrad aus Berlin neue Kriterien zur Klassifikation und Diagnose der juvenilen idiopathischen Arthritis vor. Die alte Klassifikation stammt aus dem Jahr 1997 und berücksichtigt immunologische und genetische Besonderheit der Unterformen unzureichend. In gleicher Weise ist die Vereinbarkeit mit den Klassifikationen der korrespondierenden Erkrankungen bei Erwachsenen ungenügend. Aus diesem Grund wurde eine alternative Klassifikation erarbeitet, die aktuell in einer großen multinationalen Studie validiert wird.

In anschließenden Artikeln werden innovative Therapieoptionen diskutiert. Durch die Einführung immer neuer Biologika ab dem Jahr 2000 hat sich das therapeutische Armamentarium in der Rheumatologie erheblich erweitert, sodass neue Therapieziele formuliert werden konnten, zu denen die Remission der Erkrankung, also die vollständige Unterdrückung der Krankheitsaktivität zur Erhaltung der normalen Gelenkbeweglichkeit, normales Wachstum und normale Entwicklung, höchste Lebensqualität gehören, und das durch eine möglichst rasch und hochwirksame und nebenwirkungsfreie Therapie. Mit den so genannten „targeted small molecules“ zu denen die Januskinasehemmer Baricitinib, Filgotinib, Tofacitinib und Upadacitinib gehören, stehen nicht nur in der Rheumatologie innovative Medikamente bereit, die versprechen, diesen hohen Zielen näherzukommen. Sie bieten neben einer zuverlässigen Wirksamkeit auch die orale Applikation als Vorteil insbesondere für kleinere Kinder an. Der Artikel von Herrn PD Dr. B. Hügle aus Garmisch-Partenkirchen behandelt die bisherigen Erfahrungen mit diesen JAK-Hemmern in der Rheumatologie mit dem Fokus auf entzündliche Gelenkerkrankungen.

Aufgrund ihrer vielfältigen Eingriffsmöglichkeiten der JAK-Inhibitoren in die Entzündungsreaktion, durch die gleichzeitige Blockade mehrerer Zytokin-vermittelter Zellaktivierungen, eröffnen diese auch therapeutische Optionen bei Erkrankungen, bei denen bislang keine oder nur unzureichende Therapien verfügbar waren. Hierzu zählen insbesondere die Interferon-abhängigen Erkrankungen, Interferonopathien, zu denen seltene Entitäten wie das CANDLE-Syndrom oder das SAVI-Syndrom gehören, aber auch häufigere Erkrankungen, zu denen der systemische Lupus erythematodes und die Dermatomyositis zählen. Einen Einblick in den aktuellen Wissenstand gibt uns Frau Dr. A. Klein aus Sankt Augustin.

Mit der Einführung von Biosimilars zu den ersten und immer noch wichtigsten Biologika in der Kinderrheumatologie, Etanercept und Adalimumab, steht eine wirtschaftlich günstigere Therapieoption zur Verfügung. Die Datenlage der Anwendung von Biosimilar in der Kinderrheumatologie ist allerdings dürftig. Studien stehen nicht zur Verfügung. Aus diesem Grund habe ich die bisherige Erfahrung zur Wirksamkeit und Verträglichkeit, wie sie das deutsche Biologika im Kinderheumatologie-Register (BIKER) gesammelt hat, zusammengetragen und sowohl die Anwendung von Biosimilars als Ersttherapeutika als auch nach Switching vom Originator analysiert. Allerdings setzen nur wenige kinderrheumatologische Einrichtungen in Deutschland Biosimilars häufig ein und die Gründe hierfür müssen diskutiert werden.

In zwei weiteren Artikeln wird auf die systemische juvenile idiopathische Arthritis/Still-Syndrom eingegangen. Diese nimmt unter den Kategorien der JIA eine Sonderstellung ein, klinisch aufgrund der obligat extraartikulären, systemischen Beteiligung, aber auch aufgrund der vital bedrohlichen Komplikationen, wie Dr. T. Hospach beschreibt. Ebenso unterschiedlich sind die modernen Therapieansätze, die zwischen früher und später Erkrankung differenzieren, letztlich mit dem Ziel der Nutzung eines „windows of opportunity“ zur Erreichung des Therapieziels, der Remission. Eine der besonderen Komplikationen ist die interstitielle Lungenerkrankung bei der sJIA („sJIA Lung Disease“), auf die die Arbeitsgruppe um Herrn Prof. Dr. Kallinich von der Charitè eingeht. Die Zunahme der Häufigkeit in den letzten Jahren verlief parallel zur Zunahme der Anwendung von Biologika, insbesondere gegen die Zytokine IL-1 und IL-6. Pathogenetisch relevant für die Lungenerkrankung ist mit Interferon-gamma ein weiteres Zytokin. Die Bedeutung der Komplikation wird durch die hohe Letalität unterstrichen.

Mit dieser Kollektion von Artikeln zu aktuellen Themen der Kinderrheumatologie wünsche ich Ihnen einen guten Kenntnisgewinn und Freude bei der Lektüre.

Prof. Dr. med. Gerd Horneff

Gastschriftleiter



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Article published online:
18 October 2021

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