Laryngorhinootologie 2021; 100(09): 751-752
DOI: 10.1055/a-1520-8878
Facharztfragen

Fragen für die Facharztprüfung

Fall Orbitale Komplikation

Falldarstellung Vorstellung aus Kindernotaufnahme, 3-jähriges Kind, seit einer Woche Schnupfen, in den letzten 2 Tagen eitrig, seit den Nachtstunden Schwellung des linken Oberlides, Fieber 38,3 °C, MRT schon erfolgt in auswärtiger Einrichtung

Befund Rötung und Schwellung linkes Oberlid, Punktum maximum medianer Lidwinkel, Pupillenreaktion normal, Bulbusmotilität intakt

MRT ([Abb. 1]) Ödem und Schwellung Oberlid links, Teilverschattung Siebbein bds., Stirnhöhlen noch nicht angelegt

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Abb. 1 MRT axial.

Sprechen Sie über Diagnostik und Therapie der verschiedenen Formen der orbitalen Komplikationen einer akuten Rhinosinusitis!

Die verschiedenen orbitalen Komplikationen einer akuten Rhinosinusitis entstehen in der Regel auf dem Boden einer akuten bakteriellen Rhinosinusitis. Die orbitalen Komplikationen gehen meist von den Ethmoidalzellen aus. Je nach Ausprägung der Entzündung werden 4 Schweregrade unterschieden. 1. Periorbitale Zellulitis: Symptomatisch zeigt sich ein Ödem der Lider und des Gewebes vor dem Septum orbitale. Die Bulbusmotilität ist nicht eingeschränkt oder schmerzhaft, es liegt kein Exophthalmus oder eine Visusstörung vor. In diesem Stadium ist die konservative Therapie mit i. v.-Antibiose, „hohen Einlagen“ und Applikation eines topischen Steroids ausreichend und eine Bildgebung noch nicht notwendig. Zur sicheren Therapieapplikation und Erkennung einer fortschreitenden Komplikation ist eine strenge, in der Regel stationäre Verlaufskontrolle notwendig. Zu 85 % tritt diese Form bei Kindern auf. Mikrobiologisch findet sich das Spektrum der akuten bakteriellen Rhinosinusitis (Pneumokokken, Haemophilus influenzae, Streptokokken, Staphylokokken und Moxarella catarrhalis). 2. Periostitis: Durch die knöchernen Dehiszenzen erreicht die Entzündung das orbitale Periost mit Begleitödem des orbitalen Weichgewebes. Daraus resultieren ein Exophthalmus, Bulbusmotilitätsstörungen und ein Ödem der Konjunktiva. 3. Subperiostalabszess: Durch die Einschmelzung entsteht ein Abszess, der zur Zunahme der unter 2. genannten Symptome führt mit Verdrängung des Auges und ggf. Visusabnahme. 4. Orbitalphlegmone: Dabei handelt es sich um die schwerste Verlaufsform der orbitalen Komplikation mit phlegmonöser Entzündung der orbitalen Gewebe. Symptomatisch zeigt sich eine deutliche Protrusio bulbi mit aufgehobener Bulbusmotilität und Visusverlust, der bis zur Erblindung führen kann.

Ab Schweregrad 2 ist ein CT der NNH mit Kontrastmittel dringlich indiziert. Die ophthalmologische Symptomatik sollte augenärztlich diagnostiziert werden. Die Indikation zur dringlichen chirurgischen Therapie besteht ab Schweregrad 2, um den Entzündungsherd zu sanieren und ein Fortschreiten zu vermeiden. In der Regel ist der endonasale OP-Zugang ausreichend, die Option zur Erweiterung von außen muss bestehen bei unzureichender Übersicht und nicht sicherer Drainage.

Eine Besonderheit stellt die orbitale Komplikation bei immunsupprimierten, in der Regel neutropenischen Patienten im Rahmen z. B. einer akuten Leukämie oder nach Knochenmarktransplantationen dar. Durch die fehlenden Granulozyten werden keine Abszesse gebildet, es kommt sehr schnell zur Ausbildung der Orbitalphlegmone mit einer Gefahr der Sinus-cavernosus-Thrombose oder Ausbreitung nach intrakraniell. Im Anfangsstadium und bei Prognose einer Besserung der Neutropenie sollte die operative Indikation zurückhaltend gestellt werden, da durch die Operation noch nicht betroffene Bereiche eröffnet werden können. Die Therapie erfolgt hochdosiert und breit antibiotisch sowie antimykotisch mit liposomalem Amphotericin B. Bei Verdacht auf Vorliegen einer invasiven Mykose ist die radikalchirurgische Therapie mit langfristiger antimykotischer Therapie Mittel der Wahl.



Publication History

Article published online:
30 August 2021

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