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DOI: 10.1055/a-1490-7174
Gamification von Bewegung und Gesundheit
Gamification of Exercise and HealthDer Beitrag wurde bereits veröffentlicht unter https://dvgs.de/de/features/blog/item/119-gamification-von-bewegung-und-gesundheit.html
Die Digitalisierung schreitet immer weiter fort. Auch im Bereich Bewegung und Gesundheit gibt es immer mehr gesetzliche Rahmenvorgaben für Anwendungsmöglichkeiten.
Wer mit offenen Augen durchs Leben geht, sieht in der heutigen Zeit immer mehr Anwendungen der Digitalisierung. Animierte Reklamen auf Gebäuden, Smart-Home-Anwendungen, Fitness-Tracker und Handy-Apps für fast jede Lebenslage sind nur einige Beispiele hierfür.
Im Jahr 2016 kam die Handy-App Pokemon GO auf den Markt, und plötzlich sah man auf den Straßen und in Parks mehr und mehr neue Gesichter und beobachtete Leute dabei, sich untereinander spielerisch auszutauschen und gemeinsam Ausflüge zu unternehmen. Als Nutzer fand man sich plötzlich in der Situation, dass man täglich viel mehr Schritte macht, ohne bewusst darauf zu achten, sich mehr zu bewegen. Dies ist ein sehr gutes Beispiel dafür, wie die Digitalisierung, die vermeintlich nur in unseren Geräten wie Smartphones oder PCs stattfindet, dennoch unser soziales Leben und den realen Alltag beeinflussen kann.
Dies ist ein Großteil dessen, womit sich Gamification befasst. Die Einbindung spieltypischer Inhalte in spielfremde Umgebung, also mit der Frage: Wie können Games (Videospiele) unseren Alltag und somit die Realität in positivem Maße beeinflussen?
Ein veranschaulichendes Beispiel ist hier die „Pianotreppe“ in Stockholm. Wie an den allermeisten Orten dieser Welt, wurde auch hier bei einer Treppe und der danebenliegenden Rolltreppe durch Besucher zum Großteil die Rolltreppe benutzt. Nachdem aber kurzerhand die Treppe zu einer „Pianotreppe“ umgebaut wurde, die beim Hinauf- und Herabsteigen Musik macht, nutzten viel mehr Menschen eben diese Bewegungsvariante. Es handelt sich also um die gleiche Art von körperlicher Bewegung wie zuvor (Treppensteigen), macht den Nutzern aber durch den Musikeinsatz deutlich mehr Spaß, wird dadurch häufiger genutzt und steigert so die körperliche Bewegung. Der Einsatz von Musik und Piano-Optik animiert so spielerisch die Bewegungsförderung.
Gamification hat verschiedene Anwendungsformen und gilt natürlich nicht nur für Bewegung, sondern wird auch zum Beispiel bei Google für die Abrechnung von Reisekosten, an Ampeln zum Verkürzen der Wartezeit oder auch mit einem Erfahrungssystem in Firmen genutzt, um Gehälter zu organisieren. Die Anwendungsmöglichkeiten von Gamification sind also breit gefächert.
Im Gesundheitswesen und der Bewegung kann es sehr hilfreich sein, digitale Inhalte wie Games zu nutzen, um motorische, kognitive und psychosoziale Lern- und Bewegungsziele (zur Erlangung einer Bewegungs-, Steuerungs-, und Selbstregulationskompetenz) zu erreichen. Dies geht zum einen durch das Lehren von Bewegungszielen (z. B. dem Verbessern der Motorik oder Vermitteln von Gesundheitsfakten). In diesem Fall werden Nutzer nicht direkt in Bewegung gebracht, lernen aber wertvolle Fakten und Tipps zum jeweiligen Thema. Dadurch wird ihnen das nötige „Werkzeug“ an die Hand gegeben, um im Alltag die Bewegungsabläufe zu verbessern und sich allgemein mehr im Sinne der Gesundheit und Fitness zu verhalten ([Abb. 1]).
Die zweite Digitalisierungsmethode ist die direkte Umsetzung von Bewegungsinhalten. Der Nutzer muss in diesem Fall bestimmte Bewegungen durchführen, um sein Ziel zu erreichen. Dies reicht von Minispiel-Inhalten, die die (Fein-)Motorik fördern, bis hin zu Spielen, die durch Immersion (Einbindung) in die Spielwelt Aufgaben verteilen, welche man durch Bewegung zu erledigen hat.
So wird beispielsweise im „Projekt: Apfelernte“ des DVGS e. V. (im Modellvorhaben POLKA) der Spieler angeleitet, in der virtuellen Realität Äpfel zu pflücken, um diese danach zu leckerem Apfelkuchen verarbeiten zu können ([Abb. 2]). Um zu diesen Äpfeln zu gelangen, muss der Spieler sich allerdings strecken, um sie zu erreichen, und danach Kniebeugen machen, um sie im Korb abzulegen. Dies bringt den Spieler in Bewegung und fördert so seine allgemeine Körperwahrnehmung und Fitness, ohne ihm als „langweiliges Training“ vorzukommen. Man verpackt also Bewegung in ein Gewand, welches auch Leuten Spaß macht, die nicht bewegungsaffin sind.
Diese „Apfelernte“ ist Teil des Modellvorhabens POLKA, welches darauf abzielt, die körperliche Aktivität der Bewohner von Pflegeheimen durch digitale Inhalte zu fördern, verbessern und zu erhalten.
In [Tab. 1] findet sich ein Querschnitt einiger Games, die für das Modellvorhaben POLKA als geplante Optionen zur Verfügung stehen:
Name |
Zielgruppeneignung |
Ziel |
Nutzungsplattform |
Usability |
User Experience |
Nutzungsmuster |
Nutzungszeit |
Nutzungsintensität |
Stärken (Förderfaktoren) |
Schwächen (Barrieren) |
||
---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|---|
Indikationen//Kontraindikationen |
motorische Ziele |
kognitive Ziele (BCT) |
psychosoziale Ziele (BCT) |
Gebrauchstauglichkeit Kompatibilitätszusage |
positives Nutzungserlebnis |
|||||||
Apfel pflücken |
Körperlich aktiv Können gehen Können stehen Bettlägerige Mental funktionsfähig |
Erhaltung und Verbesserung der Feinmotorik//Koordination Flexibilität |
Stärkung des Verständnisses von Alltagsaktivitäten |
Interesseweckende Präsentation von Inhalten Hoher Aufforderungscharakter Setzen von Verhaltens- und Ergebniszielen |
VR |
3 |
9 |
Einzelspieler |
~ 15 min |
Hohe Interaktivität Gamification |
|
|
Fotografie Urlaubsort |
Körperlich aktiv Können gehen Können stehen Bettlägerige Mental funktionsfähig |
Erhaltung und Verbesserung der Feinmotorik//Koordination Flexibilität |
Umgebungswahrnehmung verbessern Stärkung des Verständnisses von Alltagsaktivitäten |
Nostalgische Komponente Motivation//Empathie durch visuelle Reize Setzen von Verhaltens- und Ergebniszielen |
Tablet//Handy AR |
5 |
6 |
Einzelspieler |
~ 15 min |
Personalisierbarkeit Hohe Interaktivität Gamification |
|
|
Schmetterlingsflug |
Körperlich aktiv Können gehen Können stehen Bettlägerige Mental funktionsfähig |
Erhaltung und Verbesserung der Feinmotorik//Koordination Flexibilität |
Umgebungswahrnehmung verbessern Reaktionsfähigkeit verbessern |
Gute Kontrollwirksamkeit Geringe Nutzerbarriere Setzen von Verhaltens- und Ergebniszielen |
Hololens AR Tablet//Handy AR |
7 |
5 |
Einzelspieler |
~15 min |
Hohe Interaktivität Gamification |
|
|
Wimmelbild |
Körperlich aktiv Können gehen Können stehen Bettlägerige Mental funktionsfähig |
Erhaltung und Verbesserung der Feinmotorik//Koordination |
Umgebungswahrnehmung verbessern Stärkung des Verständnisses von Alltagsaktivitäten |
Motivation durch nostalgische Komponente Soziale Unterstützung (Mehrspieler) Soziale Interaktion Gute Kontrollwirksamkeit Geringe Nutzerbarriere Hoher Aufforderungscharakter Setzen von Verhaltens- und Ergebniszielen Mentales Üben |
Tablet//Fernseher statisch |
8 |
4 |
Einzelspieler//ausbaubar zu Mehrspieler |
~ 10 min |
Personalisierbarkeit Hohe Interaktivität Gamification |
|
|
Alm |
Körperlich aktiv Können gehen Können stehen Bettlägerige Mental funktionsfähig |
Erhaltung und Verbesserung der Ausdauer Kräftigung Koordination Flexibilität |
Transfer von Bewegungszielen Handlungs- und Effektwissen zum Thema Ausdauer Lernen am Modell |
Gruppenverständnis//- aufgaben nahebringen Emotionale Komponente Motivation durch nostalgische Komponente Soziale Interaktion Geringe Nutzerbarriere Anleitung zur Ausführung eines Verhaltens Mentales Üben Ergebnisbezogene Belohnung |
Fernseher//Tablet |
9 |
7 |
Mehrspieler |
~ 20–30 min |
Personalisierbarkeit Gamification |
|
|
Tamagotchi |
Körperlich aktiv Können gehen Mental funktionsfähig |
Erhaltung und Verbesserung der Ausdauer Kräftigung Koordination Erhöhung der körperlichen Aktivität |
Handlungs- und Effektwissen zum Thema Ausdauer |
Emotionale Komponente Selbstwirksamkeit Hoher Aufforderungscharakter Handlungsplanung Setzen von Verhaltens- und Ergebniszielen Ergebnisbezogene Belohnung |
Handy//Smartwatch |
7 |
7 |
Einzelspieler |
viele kleine Sessions über den Tag verteilt |
Personalisierbarkeit Gamification |
|
|
Diese Tabelle unterteilt sich in einige Punkte, die sowohl Anwendbarkeit als auch Spielspaß, Lernziele und viele weitere Punkte in Erwägung ziehen und miteinander vergleichen.
Um diese Faktoren zu bewerten, stellten wir uns bei der Erstellung der Tabelle folgende Fragen (gemäß aktuellem Leitfaden Prävention SV GKV Kapitel 7):
Indikationen//Kontraindikationen: Für welche Zielgruppe von Bewohnern kann das Game genutzt werden?
-
Ziel: Welche motorischen//kognitiven//psychosozialen Ziele soll das Game verfolgen und welche Eigenschaften somit fördern oder erhalten?
-
Nutzungsplattform: Welche Plattform kann genutzt werden, um die angestrebten Ziele für die vorgesehene Zielgruppe zu erreichen?
-
Usability: Wie einfach ist es für den Nutzer, das Game zu verwenden (dies ist meist zu einem großen Teil abhängig von der Nutzungsplattform)?
User Experience: Wie viel Potenzial hat das Game in Bezug auf Spielspaß, Immersion und Aufforderungscharakter?
Nutzungsmuster: In welcher Zusammenstellung von Nutzern kann das Game angewandt werden?
Nutzungszeit: Wie oft und wie lange wird das Game gespielt?
Nutzungsintensität: Was sind vermeintliche Besonderheiten dieses Games?
Stärken: Welche Stärken bringt das Game mit, um die angestrebten Ziele zu verfolgen?
Schwächen: Welche Schwächen und Schwierigkeiten könnte dieses Game aufweisen?
All diese Fragen sind in dieser Tabelle unter Berücksichtigung dessen, dass die Games sich vornehmlich an Bewohner von Altenheimen richten, beantwortet.
Publikationsverlauf
Artikel online veröffentlicht:
07. September 2021
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