NOTARZT 2021; 37(03): 179-184
DOI: 10.1055/a-1459-1753
Zusatzweiterbildung Notfallmedizin

Chest Seals zur temporären Versorgung offener Thoraxverletzungen im Rahmen von bedrohlichen Einsatzlagen

Indikationen, Risiken und Handlungsempfehlungen für den NotarztCovering sucking chest wounds with chest sealsIndications, risks and practical advices for EMS-physicians in case of threatening situations in a civilian environment
Valentin Kuhlwilm
1   Klinik für Anästhesie, Intensiv- und Notfallmedizin, Schmerztherapie, Bundeswehrkrankenhaus Hamburg, Hamburg, Deutschland
,
Andreas Schwartz
,
Björn Hossfeld
› Author Affiliations

Im Rahmen von bedrohlichen Lagen muss mit penetrierenden Verletzungen der Thoraxwand gerechnet werden, die mit speziellen Thoraxpflastern, sog. Chest Seals, abgedichtet werden können. Da Chest Seals zur Ausstattung von Spezialeinheiten des Militärs und der Polizei gehören, ist es durchaus denkbar, dass Notärzte und Rettungsdienstfachpersonal in bedrohlichen Lagen mit Patienten konfrontiert werden, die mit einem solchen Pflasterverband versorgt sind.

Abstract

In case of threatening situations penetrating injuries of the chest are frequent and can be sealed by certain dressings, so-called chest seals. As chest seals are used within special forces of the military or the police, EMS-personnel may cope during threatening situations with patients having a chest seal applied. In this non-systematical review the characteristics of chest seals and their indication to be used in a civilian environment are highlighted on the basis of a literature research and personal knowledge.

Chest seals are vented or non-vented, adhesive dressings to cover sucking chest wounds, in order to prevent a tension pneumothorax if the wound works as one-way valve. Animal studies showed that chest seals are able to stabilize respiratory parameters if applied in case of open pneumothorax. However only vented chest seals were able to prevent a tension pneumothorax in case of additional damage of the airways. In contrast to civilian guidelines (like the ERC-guideline) tactical orientated guidelines recommend the use of vented chest seals to cover sucking chest wounds in an austere environment. The use of vented chest seal in a threatening situation might be useful to temporarily stabilize the patient’s respiratory parameters and to prevent a tension pneumothorax. However, a tension pneumothorax might still occur. Therefore, a frequent reevaluation, as wells as an early and sufficient treatment of a developing tension pneumothorax by thoracostomy is necessary.

Kernaussagen
  • Im Rahmen von bedrohlichen Einsatzlagen ist die Versorgung im unsicheren Bereich durch notärztliches oder rettungsdienstliches Personal nicht unmittelbar gegeben. Für den Fall von penetrierenden Thoraxverletzungen werden Einsatzkräfte von Militär und Polizei geschult, diese mit einem sogenannten Chest Seal zu versorgen.

  • Durch die Chest Seals soll einerseits verhindert werden, dass Luft während der Inspiration durch die Wunde in den Pleuraspalt gelangt, sodass sich kein Spannungspneumothorax entwickeln kann. Die Entwicklung eines iatrogenen Spannungspneumothorax hingegen soll wiederum durch die Verwendung von Chest Seals mit Ventilfunktion verhindert werden, mit denen Luft oder Flüssigkeiten während der Exspiration entweichen können.

  • Bei vermutetem Spannungspneumothorax ist die erste und schnellste Therapieoption das Entfernen des Chest Seals. Wenn nötig, wird anschließend eine Entlastungsnadel auf der Seite der Verletzung in Monaldi- oder Bülau-Position empfohlen.

  • Wird dem Notarzt ein so versorgter Patient übergeben, ist der erste Schritt eine kritische Re-Evaluation nach <c>ABCDE. Kann dabei unter B ein möglicher Spannungspneumothorax ausgeschlossen werden (klinische Untersuchung, Auskultation, Sonografie), darf das Chest Seal zugunsten eines zügigen Transports in ein geeignetes Traumazentrum belassen werden.

  • Temporär ist gerade in bedrohlichen Einsatzlagen der Versuch einer Entlastungspunktion statthaft. Anderenfalls muss notärztlich die Anlage einer Thoraxdrainage bereits prähospital erfolgen.



Publication History

Article published online:
15 June 2021

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