Kinder- und Jugendmedizin 2021; 21(02): 75
DOI: 10.1055/a-1366-6717
Editorial

Kinder- und Jugendpsychiatrie

Veit Roessner
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Prof. Dr. med. Veit Roessner Klinik und Poliklinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie Medizinische Fakultät der TU DresdenFoto: ©Thomas Albrecht; Universitätsklinikum Carl Gustav Carus Dresden

Liebe Leserinnen und Leser,

gerade unter den besonderen Bedingungen der Corona-Pandemie wird in den Medien ausführlich berichtet, dass und wie psychische Probleme bis hin zu Erkrankungen unserer Kinder durch Bedingungen ihres Alltags beeinflusst werden. Beispielhaft seien genannt: durch fehlende Sozialkontakte v. a. mit Gleichaltrigen, durch die fehlende Tagesstruktur aufgrund fehlender Zeit in Kindergarten oder Schule, durch Sorgen und Nöte der Eltern und mancher Geschwister, durch beengte Wohnverhältnisse etc. Obwohl viele Eltern ihre Probleme sowie die Probleme ihrer minderjährigen Kinder verglichen mit „Vor-Corona-Zeiten“ sehr oft und ausführlich in den Medien schildern durften und dürfen, scheint dadurch eine grundlegendere Veränderung der Systeme und deren Zusammenarbeit nicht angestoßen zu werden. Dies ist aus verschiedenen Gründen bedauerlich bzw. mir unverständlich:

  • Die Notwendigkeit, schnell, pragmatisch und zukunftsorientiert bzw. -sichernd (z. B. durch Schuldenmachen) zu handeln, ist mehr denn je Konsens.

  • Dass nur ein abgestimmtes, gemeinsames Handeln vieler „Systeme“ annähernd wirksame Veränderungen bewirkt, ist allen klar geworden.

  • Die Corona-Pandemie schreit an vielen Stellen geradezu nach interdisziplinärem Handeln, z. B. an der Schnittstelle Soma (v. a. Infektionsrisiken, -wege, Diagnostik und Behandlung einer Virusinfektion) und Psyche (v. a. Auswirkungen auf den Alltag von Familien durch Berichterstattung, Hygieneregeln und Lockdown).

Ein kleiner Schritt in diese Richtung ist das vorliegende Heft der Kinder- und Jugendmedizin, das den aktuellen Stand zu verschiedenen relevanten kinder- und jugendpsychiatrischen Problemen zusammenfasst. Es kann und soll zum einen die kinderärztlichen Kollegen informieren und sensibilisieren, ob und wann der kinder- und jugendpsychiatrische Kollege hinzugezogen werden sollte, zum anderen aber auch grob skizzieren, welche diagnostischen und therapeutischen Möglichkeiten „in der Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie“ bestehen.

Was kann die Corona-Pandemie hier an Positivem beitragen? Verschiedene Faktoren wie zunehmende Spezialisierung, Überalterung der Ärzteschaft, Landflucht etc. erforderten schon „vor Corona“ ein Hilfesystem, das transparenter, verzahnter und mehr aus einem Guss das Kind und dessen Eltern(teil) an die Hand nimmt, um schnellstmöglich und abgestimmt die beste Lösung, sei es diagnostisch, beratend oder interventionell zu finden. Dies kann und wird nur durch eine Kombination aus primären Ansprechpartnern vor Ort und Hinzuziehen von spezialisierter Expertise und Ressourcen – zumindest in Teilen – durch digitale Techniken gelingen. Diese Katalysatorfunktion der Corona-Pandemie gilt es von uns Ärzten zu nutzen, um unser Denken, Handeln und Abläufe zu hinterfragen und entsprechend weiterzuentwickeln. Dazu sind viele Faktoren wie z. B. Vertrauen in die Partner, Klärung von Verantwortlichkeiten und Abschiede von Gewohntem und Selbstverständlichem nötig. Als ein weiteres Beispiel seien Neugier und Interesse an den Themen, Denkweisen und Abläufen in anderen Teilbereichen der Gesundheitsversorgung von Kindern und Jugendlichen genannt. Daher seien Sie herzlich zum Lesen eingeladen!

Prof. Dr. med. Veit Roessner, Dresden



Publikationsverlauf

Artikel online veröffentlicht:
26. April 2021

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