JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2020; 09(05): 182-183
DOI: 10.1055/a-1213-2516
Kolumne
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Nicht geschimpft ist Lob genug …

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Publication Date:
12 October 2020 (online)

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Quelle: Paavo Blåfield

… sagte mein alter Chefarzt oft zu uns und wollte damit, sicherlich mit einem Augenzwinkern, seine Anerkennung zeigen. Nur gut, dass wir ihn viele Jahre kannten und auch mit seinen Sprüchen umgehen konnten. Außerdem ließ er es sich nicht nehmen, in schöner Regelmäßigkeit für uns auf dem Viktualienmarkt einzukaufen, bis der Frühstückstisch sich bog, und dabei immer darauf zu achten, was bestimmte Kollegen besonders gern aßen. Schön fand ich damals auch, dass er, wann immer er konnte, bei diesen Frühstücken mit am Tisch saß. Stand eine Stationsfeier an, bezahlte er ungefragt sämtliche (und das waren damals nicht wenige) Alkoholitäten. Das war seine Art der Wertschätzung unserer Arbeit und das war für uns damals in Ordnung.

„Bei der Wertschätzung von Menschen wird sich immer wieder verschätzt.“

Helmut Glaßl (*1950), dt. Aphoristiker

Jetzt haben wir einen neuen Chef. Viel jünger, dynamischer, in seiner Arbeit als Chirurg sicherlich erfolgs- und gewinnorientierter und sehr, sehr busy. Und in diesem seinem Business finden wir nur ganz am Rande statt. In den vergangenen zwei Jahren ist es mir genau einmal gelungen, einen gemeinsamen Termin zu finden, um organisatorische Dinge zu besprechen. Er hat eben sehr, sehr viel zu tun und ich habe im Lauf der Zeit aufgegeben. Im vergangenen Monat fand wieder einmal das externe Zertifizierungsaudit statt. Diese Audits betreffen ja alle Bereiche einer Klinik, und man könnte meinen, dass auch die Vorbereitungen und anschließenden Präsentationen eine gemeinsame Angelegenheit sein sollten. Wenigstens ist er zum Audittermin erschienen und sah unsere Präsentation dort, genau wie die Auditoren, zum ersten Mal.

Ich war mit dem, was wir von uns aus der Pflege vorbereitet und präsentiert haben, sehr zufrieden und habe das sowohl den direkt beteiligten Kolleginnen und dem Team sehr enthusiastisch mitgeteilt. Den Auditoren ging es wohl offensichtlich auch so, und sogar unsere PDL war anfänglich voll des Lobes, hat es dann aber dennoch geschafft, mit einem sehr kurzen Nachsatz meine Euphorie und Zufriedenheit zunichtezumachen. Das diesjährige Audit fand aus bekannten Gründen als Videokonferenz statt. In der Nachbesprechung wurde gelobt und gedankt, dann endete sie mit der Bemerkung, dass es – da es ja per Video stattfand – gewissermaßen ein geschenktes Ergebnis wäre. Nein, finde ich gar nicht. Sicherlich war es ein atypisches Audit. Aber dennoch haben wir Zeit und Mühe für die Erstellung der Präsentation aufgewendet, haben Rede und Antwort gestanden und waren nicht weniger angespannt und aufgeregt als in den Jahren davor.

Aber in Sachen Wertschätzung ist es woanders nicht anders oder gar besser. Mir hat jemand aus einer Stuttgarter Klinik einen Brief der dortigen Klinikleitung zugeschickt, in dem den Kollegen gedankt wird für ihren Einsatz während der Corona-Pandemie. Als Dank würden nun alle eine Mund-Nasen-Maske aus Baumwolle erhalten, die sie gern auch im Alltag verwenden können. Da haben die Kollegen in Stuttgart ja richtig Glück gehabt und sich sicherlich mächtig gefreut. Die Klinikleitung hätte sich auch auf einen Balkon stellen und klatschen können.

Es ist schon so eine Sache mit der Wertschätzung der erbrachten Leistungen. Gerade in unserem Beruf. Bei uns verdienen die engagierten, innovativen, fleißigen männlichen wie weiblichen Kollegen nicht einen Cent mehr als die phlegmatischen, unkollegialen und nicht so fleißigen, die mit Ach und Krach ihren Job machen. Und es ist ja nicht so, dass in unserem Dunstkreis mit Prämien oder gar Bonuszahlungen nur so um sich geworfen wird. Meine Möglichkeiten als Stationsleitung, Einfluss auf irgendwelche Zusatzzahlungen oder andere Möglichkeiten der Anerkennung besonderer Leistungen für Mitarbeiter zu nehmen, sind leider auch sehr begrenzt. Wenn es tatsächlich doch mal dazu kommt, war es immer ein mühevoller langer Weg. Ich bin aber dennoch der Meinung, dass neben dem Gehalt, für das der Arbeitgeber selbstverständlich Leistung erwarten kann, trotzdem besondere Leistungen auch besonders gewürdigt werden sollten. Leistungen wie Einsatzbereitschaft und Innovationen. Leistungen abseits der Stellenbeschreibung. Mitarbeiter, die mit ihrem Einsatz auch die jeweilige Firma respektive das Krankenhaus voranbringen, sollten auch etwas jenseits der tariflichen Vereinbarungen zurückbekommen. Stichwort: Wertschöpfung durch Wertschätzung! Das muss ja nicht immer monetären Charakter haben. Da wäre dann ein bisschen Fantasie, Wille und auch Empathie gefragt. Aber machen wir uns mal nichts vor, jeder von uns freut sich, wenn am Monatsende ein bisschen mehr auf dem Konto ist als erwartet. Wenn sich viel Arbeit auch richtig gelohnt hat. In der Industrie geht das doch auch. Oder bei den Banken und Versicherungen.

Der kollektive, nationale Ruf vom Anfang des Jahres im Zuge der zu erwartenden Pandemie nach mehr Wertschätzung für die pflegerischen Bereiche ist schneller im Nirwana der Floskeln und leeren Versprechen verschwunden, als man bis drei zählen konnte. Geblieben war für einige das kostenlose Essen für die Mitarbeiter – was ich sehr angenehm fand und es sehr bedauert habe, als es wieder abgeschafft wurde. Und der Pflegebonus von bis zu 1.500 Euro (da kenne ich im Übrigen niemanden, der die volle Summe erhalten hat). Die tollen Masken der Kollegen in Stuttgart. Und, natürlich der Applausmarathon auf den Balkonen dieses Landes.

Da es ja immer noch schlimmer geht: Für die Firmen Tönnies und Wirecard ist das Thema Wertschätzung ein Buch mit sieben Siegeln. Die einen haben noch nie davon gehört und die anderen haben’s nicht oder ganz falsch verstanden.

In diesem Sinne

Ihre

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Heidi Günther

hguenther@schoen-kliniken.de