Flugmedizin · Tropenmedizin · Reisemedizin - FTR 2020; 27(04): 153
DOI: 10.1055/a-1204-1476
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

2020 – ein Jahr der Herausforderungen für die Tropen- und Reisemedizin

Michael Ramharter
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
26. Oktober 2020 (online)

Liebe Kolleginnen und Kollegen,

das Jahr 2020 hat eine Vielzahl unvorhergesehener Veränderungen gebracht, die uns viel abverlangen. Zu Beginn der COVID-19-Pandemie stand die Aufrechterhaltung der medizinischen Versorgung im Mittelpunkt des öffentlichen Interesses und viele Tropen- und Reisemediziner haben die medizinische Regelversorgung in den Krankenhäusern und im niedergelassenen Bereich uneigennützig unterstützt. Die tropenmedizinischen Ambulanzen waren mitunter als erste mit importierten COVID-19-Patienten konfrontiert und haben – wie zum Beispiel Camilla Rothe und ihre Münchner Kolleginnen und Kollegen durch ihre international vielbeachtete Beschreibung der Transmissionscharakteristik von SARS-CoV-2 – eine bedeutende Rolle in der Erforschung der Pandemie gespielt. Die Tropeninstitute in Tübingen und Hamburg haben sich führend an der klinischen Erprobung von Malariamedikamenten zur Therapie von COVID-19 beteiligt und sind auch in der klinischen Impfstoffentwicklung gegen COVID-19 wichtige Partner. Gleichzeitig hat die Pandemie unsere Institute und unsere Kolleginnen und Kollegen im niedergelassenen Bereich hart getroffen, da durch das Erliegen des internationalen Reiseverkehrs die reisemedizinische Beratungstätigkeit vielerorts beinahe komplett eingestellt werden musste. Dies ist nicht nur fachlich sondern auch finanziell eine massive Herausforderung, deren Ende noch nicht abzusehen ist.

Neben all der direkten Auswirkungen von COVID-19 darf nicht vergessen werden, dass vor allem in tropischen Ländern der indirekte Effekt der Pandemie auf die Gesundheit ein zumindest ebenso dramatischer sein kann. Durch Einschränkungen des Handels, ökonomische Probleme und eine einseitige Ausrichtung des Gesundheitssystems auf COVID-19 drohen Herausforderungen für die Gesundheit der Menschen in den Tropen. Es wird daher von besonderer Bedeutung sein, die allgemeine Gesundheitsversorgung inklusive der wichtigen nationalen Impfprogramme aufrechtzuerhalten, um Kollateralschäden durch COVID-19 zu minimieren.

Die Bekämpfung der Malaria ist eine ebensolche Priorität in den Malariaendemiegebieten, deren Vernachlässigung zu einem raschen Verspielen der in den letzten Jahrzehnten mühsam erarbeiteten Fortschritte der Malariakontrolle führen kann. In der vorliegenden Ausgabe der FTR ist die Empfehlung Malariaprophylaxe der StAR zusammengefasst, die eine nützliche Richtlinie für die Beratung von Fernreisenden darstellt. Angesichts der derzeit schwer vorherzusagenden epidemiologischen Entwicklungen der Malaria und der sich rasch ändernden nationalen und internationalen Einschränkungen des Reiseverkehrs sind Tropen- und Reisemediziner mehr denn je angehalten, die Situation der Malaria in den endemischen Ländern engmaschig zu verfolgen und auch die rechtlichen und logistischen Hürden von Fernreisen zu bedenken, um adäquate Beratungen anbieten zu können.