Nervenheilkunde 2020; 39(12): 858-861
DOI: 10.1055/a-1193-8713
Gesellschaftsnachrichten

Kopfschmerz News der DMKG

Gepante und Ischämien

***** Mulder IA, Li M, de Vries Z, et al. Anti-migraine calcitonin gene-related peptide receptor antagonists worsen cerebral ischemic outcome in mice. Ann Neurol 2020; 88: 771–784

In einem ischämischen Schlaganfallmodell bei Mäusen erhöht die Vorbehandlung mit Olcegepant oder Rimegepant die Infarktgröße.

Zusammenfassung

Diese Studie ist das Ergebnis einer Kooperation zwischen der Kopfschmerz-Arbeitsgruppe in Harvard und der Arbeitsgruppe in den Niederlanden zur Kopfschmerzforschung. Die Autoren haben in verschiedenen Experimenten untersucht, inwieweit die Gepante Olcegepant und Rimegepant Einfluss nehmen auf die Größe und das Auftreten eines Gehirninfarkts. Dazu wurde bei Mäusen in einem Fadenmodell ein Schlaganfall gesetzt. Die Tiere wurden entweder mit einem Gepant in verschiedenen Dosierungen oder mit Placebo vorbehandelt. Es wurde untersucht, ob und in welcher Größe ein Schlaganfall auftrat. Es wurde untersucht, inwieweit die Gepante Einfluss nahmen auf die Gefäßrelaxation. Bereits nach einer Okklusionszeit von bis zu 30 Minuten verdoppelten die Gepante die Infarktgröße und erhöhten signifikant das Auftreten von Infarkten. Auch das funktionelle Outcome nach einem Infarkt war schlechter unter den Gepanten als unter Placebo. Als Mechanismus konnten die Autoren feststellen, dass die Durchblutung der Kollateralen und damit die Reperfusion des Schlaganfallareals unter den Gepanten geringer war. Zusätzlich wurde festgestellt, dass Olcegepant zu einer deutlichen Hemmung der CGRP-vermittelten Relaxierung der Aorta führte. Die Autoren schließen zusammenfassend, dass das vaskuläre Risiko der Gepante neu beurteilt werden muss.


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Kommentar

Es handelt sich um eine sehr umfangreiche und sehr wichtige Studie, die mit einem tierexperimentellen Ansatz die Gefahr durch die Gepante neu evaluiert hat. Zwar muss berücksichtigt werden, dass Olcegepant nicht mehr weiterentwickelt worden ist. Jedoch ist Rimegepant marktreif. In den USA sind Gepante zugelassen und es ist zu erwarten, dass auch in Europa Gepante zugelassen werden, sowohl zur Migräneprophylaxe als auch zur Akuttherapie. Insofern stellt sich die Frage nach der Relevanz dieser Studie für den Gebrauch der Gepante im Alltag. Zwar handelt es sich um ein Mausmodell, und gerade in der Schlaganfallforschung waren Tiermodelle häufig nur schlecht auf den menschlichen Organismus zu übertragen. Allerdings sind die Daten so eindeutig, dass sie aufhorchen lassen. Gerade der Vorteil der Gepante, nämlich dass sie bei Migränepatienten mit vaskulären Risikofaktoren eingesetzt werden können, muss in diesem Zusammenhang relativiert werden. Für die Zukunft ist zum einen zu fordern, dass weitere Untersuchungen zu den vaskulären Auswirkungen der Gepante durchgeführt werden. Zum anderen muss nach der Markteinführung in Europa, die sehr wahrscheinlich unaufhaltsam ist, sehr genau untersucht werden, welche vaskulären Ereignisse auftreten. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt lassen sich leider noch keine genauen Handlungsempfehlungen ableiten, aber es ist Vorsicht geboten beim Einsatz der Gepante.

Stefan Evers, Coppenbrügge


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Publication History

Article published online:
14 December 2020

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Georg Thieme Verlag KG
Rüdigerstraße 14, 70469 Stuttgart, Germany

 
  • Literatur

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