Adipositas - Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie 2020; 14(03): 122-123
DOI: 10.1055/a-1071-9689
Editorial

Adipositas

Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie
Stefan Engeli
,
Matthias Blüher

„Facettenreiche Adipositas braucht vielfältige Ansätze“

Liebe Leserinnen und Leser, liebe Kolleginnen und Kollegen,

in diesem Jahr 2020 ist alles anders und so eben auch unser Adipositas-Kongress. In Anbetracht vieler Absagen im Frühjahr und erster Erfahrungen mit den digitalen Veranstaltungsmöglichkeiten hat sich ein gewisser Trotz bei uns durchgesetzt. Wir wissen auch heute nicht, wie der Adipositas-Kongress letztlich ablaufen wird, aber sind gerüstet – volle Präsenz, hybrid oder komplett digital, alles ist möglich, und jede Variante hat Vor- und Nachteile. Wir sind sehr gespannt auf den Abgleich mit der Realität Anfang Oktober! Die Teilnahme am Kongress (in welcher Form auch immer) dient neben der eigenen Fortbildung immer auch dazu, die Tätigkeit der Deutschen Adipositas-Gesellschaft zu unterstützen!

Wir wollten eine informative Tagung gestalten, bei der uns die vielfältigen Herausforderungen des Themas Adipositas begegnen. Die Vielfalt mit all ihren Chancen und Herausforderungen spiegelt sich in den eingereichten Abstracts wider. Unter dem Motto „Facettenreiche Adipositas braucht vielfältige Ansätze“ beschäftigen uns im Rahmen unserer Jahrestagung die offenen Fragen im Zusammenhang mit der Prävention, den ursächlichen Mechanismen, einer effektiven Therapie der Adipositas, aber auch der Stigmatisierung von Menschen mit Adipositas. Wir erkennen als wesentlichen Grund für die häufig langfristig erfolglosen Therapieversuche ein unzureichendes Verständnis der genauen Mechanismen der Adipositas-Entstehung und damit ein Fehlen Ätiologie-basierter Therapiestrategien. Wir haben deshalb aktuelle Entwicklungen und relevante Themen ausgewählt, die weit über das medizinische Verständnis hinausgehen und soziokulturelle und psychologische Faktoren sowie soziale Auswirkungen von Adipositas berücksichtigen. Aber auch politische Themen zum Stellenwert von Adipositas in der gesellschaftlichen Wahrnehmung sollen nicht zu kurz kommen. Genau zum Redaktionsschluss hat der Deutsche Bundestag am 03. Juli 2020 nicht nur die lange überfällige Nationale Diabetes-Strategie beschlossen, sondern Adipositas als Erkrankung anerkannt. Unter dem Aspekt der Diabetesprävention wird damit die Etablierung einer leitliniengerechten Regelversorgung der „Adipositas-Erkrankung“ vorgeschlagen. Dieser politische Durchbruch sendet Signale an den Gemeinsamen Bundesausschuss, nun Versorgungsdefizite für Menschen mit Adipositas in Deutschland zu überwinden. Auch diese politische Dimension verspricht einen spannenden Adipositas-Kongress.

Neben den Kongress-Abstracts finden Sie vier Artikel in diesem Heft, die den Facettenreichtum der Adipositas ebenfalls illustrieren. Federführend für den Vorstand der DAG hat unsere Mediensprecherin Frau Dr. Stefanie Gerlach im Mai ein Positionspapier zum Thema SARS-CoV-2/COVID-19 und Adipositas geschrieben. Dieses Papier haben wir aktualisiert. Letztlich scheint es so zu sein, dass Menschen mit Adipositas zwar kein erhöhtes SARS-CoV-2-Infektionsrisiko aufweisen, aber häufiger von schweren Verläufen betroffen sind. Die unübersichtliche Datenlage und mögliche Erklärungen finden Sie in unserem Artikel. Marcus May und Stefan Engeli fassen in ihrem Artikel zusammen, welche Arzneimittel Gewichtsänderungen als unerwünschte Wirkung hervorrufen können. Dieses Thema wird in den (Zulassungs-)Studien von Arzneimitteln ignoriert, und so ist die Datenlage auch hier recht dünn. Daher gilt hier vor allem: Das Problem soll Behandelnden im klinischen Alltag bewusst sein, denn der Umgang mit der Problematik erfordert individuelle Therapieentscheidungen. Klaus Herrmann aus Bad Kissingen umreißt in seinem Beitrag das Thema „Rehabilitation bei Adipositas“, angereichert durch Fallbeispiele und Praxistipps, auch zur erforderlichen räumlichen und apparativen Ausstattung. Das Thema Prävention hat einen festen Platz beim Adipositas-Kongress und im Heft, und so beschließen wir das Heft mit einem geradezu absurden Beispiel für die missbräuchliche Konstruktion und Bewerbung eines Softdrink-Automaten, für uns aufbereitet von Sven Schneider, Jennifer Hilger-Kolb und Jutta Mata aus Mannheim. Wie individuelle Prävention in einer mit solchen Geräten ausgerüsteten Umwelt in aller Regel nur scheitern kann, wird hier auf erschreckende Weise illustriert.

Wir wünschen Ihnen interessante Lesestunden und bedanken uns herzlich bei allen Kongressteilnehmenden und Helfenden sowie bei allen AutorInnen des vorliegenden Heftes!

Prof. Dr. med. Stefan Engeli & Prof. Dr. med. Matthias Blüher

Hannover & Leipzig im Juli 2020



Publication History

Article published online:
04 September 2020

© Georg Thieme Verlag KG
Stuttgart · New York