Nuklearmedizin 2019; 58(05): 409-410
DOI: 10.1055/a-0998-0641
Nachruf
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Nachruf für Prof. Dr. med. Gustav Hör

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19 September 2019 (online)

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Prof. Dr. med. Gustav Hör (Quelle. Privat)

Prof. Dr. med. Gustav Hör, ein über Deutschland hinaus anerkannter Nuklearmediziner und akademischer Lehrer, starb nach kurzer Krankheit im Alter von 86 Jahren am 19. Februar 2019.

Gustav Hör wurde am 2. August 1932 in Preßburg, dem heutigen Bratislava, geboren. Er gehörte zu den Jahrgängen, die Kindheit, Jugend und schulische Ausbildung in der Zeit der Kriegswirren und den Folgen erlebten. Er besuchte das humanistische Lenard Gymnasium in Preßburg bis Februar 1945, dann erfolgte die Flucht nach Linz in Österreich. Dem Aufenthalt in Linz (1945–1947) folgte der Umzug nach Fulda mit dem Besuch des Rabanus-Maurus-Gymnasiums bis zum Abitur am 4. März 1953. Gustav Hör studierte von 1953 bis 1955 an der Philipps-Universität Marburg/Lahn und von 1955 bis 1958 an der Ludwig-Maximilians-Universität München (LMU), an der er 1959 sein Staatsexamen ablegte. 1959 erfolgte die Promotion zum Dr. med. an der LMU zum Thema „Einfluss von Hypoxie und Sauerstoffatmung auf den Adiuretin-Plasmaspiegel beim Gesunden und bei chronischer Herzinsuffizienz“. Vom März bis zum Dezember 1959 war er Medizinalassistent in Trier. Von 1961 bis 1969 war er wissenschaftlicher Assistent am damaligen Institut und der Poliklinik für Physikalische Therapie und Röntgenologie (Rieder Institut) der Universität München und legte 1966 die Prüfung zum Facharzt für Röntgenologie und Strahlenheilkunde ab. Gustav Hör wechselte 1970 als erster Assistent und später leitender Oberarzt an die Klinik des ersten nuklearmedizinischen Lehrstuhls in Bayern (Prof. Pabst) an der damaligen Technischen Hochschule (heute Technische Universität) München. Er habilitierte sich 1970 an der Fakultät für Medizin der Technischen Hochschule München über das Thema „Biologische und klinische Untersuchungen mit Radiotechnetium, Radioindium und deren Verbindungen“ und erhielt die Venia legendi für „Nuklearmedizin und Radiotherapie“. Am 1. August 1976 wurde Gustav Hör an der Technischen Universität München zum außerplanmäßigen Professor ernannt. Im Jahr 1978 legte Gustav Hör seine Prüfung zum Facharzt für Nuklearmedizin ab.

Im Jahr 1978 nahm Gustav Hör den Ruf auf die neu geschaffene C3-Professur für Allgemeine Nuklearmedizin an der Abteilung für Strahlentherapie am Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität in Frankfurt an. Nach der Emeritierung des Leiters der Abteilung für Strahlentherapie, Prof. Lorenz, übernahm er zwischenzeitlich auch die kommissarische Leitung dieser Abteilung, war von 1990 bis 1994 Direktor des Zentrums der Radiologie und bis 1999 Direktor der Klinik und Poliklinik für Nuklearmedizin.

Schon früh zeichnete sich ein wissenschaftlicher Schwerpunkt in der kardiovaskulären Nuklearmedizin ab. So war Gustav Hör in der Münchener Zeit einer der ersten, die Thallium-201-Chlorid zur Myokardszintigraphie einsetzte. Die interdisziplinäre Zusammenarbeit mit den Kardiologen (insbesondere mit Prof. Kaltenbach und Prof. Klepzig) setzte er nach seinem Ruf nach Frankfurt fort. Gustav Hör und sein Team (v. a. Dr. Standke) arbeiteten an der Neuentwicklung einer Software mit der Möglichkeit der Quantifizierung von Parametern zur nuklearkardiologischen Bildgebung. Die kombinierte Myokardszintigraphie und Radionuklidventrikulographie standen im Mittelpunkt der Forschung, die mit dem eigens entwickelten Softwarepaket zur vollautomatischen Auswertung analysiert wurden. Über die Nuklearkardiologie hinaus waren Felder wissenschaftlicher Arbeiten eine intensive Zusammenarbeit mit der Dermatologie sowie die Immunszintigraphie, welche die nuklearmedizinische universitäre Abteilung in Frankfurt international bekannt machte. Im Februar 1985 erfolgte die erste Radioimmuntherapie in Deutschland an der Klinik für Nuklearmedizin des Universitätsklinikums Frankfurt. Ebenso wurden die I-131-MIBG-Therapie (1984) und die Y-90-DOTATOC-Therapie (1997) sehr früh in Frankfurt am Main eingeführt.

Ein besonderer weiterer akademischer Schwerpunkt sollte die Positronen-Emissions-Tomographie werden. In den 1980er Jahren vor allem für Forschungsfragen eingeführt, fokussierte sich das Interesse von Gustav Hör seit Anfang der 90er Jahre darauf, am Universitätsklinikum Frankfurt ein PET zu etablieren – eine Initiative, die 1994 mit der Installation des ersten universitären PET in seiner Abteilung gekrönt wurde. Maßgeblich trug das Frankfurter Team zur klinischen Verbreitung dieses Verfahrens, insbesondere bei onkologischen Fragestellungen, bei – die PET-Hybridbildgebung, die aus den Anfängen des PET hervorging, ist heute in der Versorgung aus der modernen Onkologie nicht mehr wegzudenken.

Gustav Hör war ein akademischer Lehrer aus voller Überzeugung und mit Hingabe, der sich darüber hinaus auch in der Fachgesellschaft engagierte. Sein reiches wissenschaftliches Oeuvre umfasst Publikationen von Originalarbeiten, Hand- und Lehrbuchartikel sowie mehrere Monographien. An der Frankfurter Schule wurde eine ganze Generation von nuklearmedizinischen Fachärzten ausgebildet. Zahlreiche Dissertationsarbeiten wurden unter seiner Ägide verfasst, vier Habilitationen entstanden in der Frankfurter Zeit und mehrere seiner Schüler avancierten zu Chefärzten großer nuklearmedizinischer Kliniken und zwei Schüler bekleiden/bekleideten Ordinariate. Gustav Hör war Gründungsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin ebenso wie der Europäischen Gesellschaft für Nuklearmedizin (EANM). Er war langjähriger stellvertretender Vorsitzender der DGN, Präsident der 28. Jahrestagung der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin (DGN) in Frankfurt am Main 1990, Vorsitzender der Arbeitsgruppe kardiovaskuläre Nuklearmedizin der DGN und Chairman der Task Group Cardiology der EANM. Nach seiner Emeritierung setzte Gustav Hör seine Tätigkeit in großen multidisziplinären Praxen, zuerst in Frankfurt und später in Berlin über viele Jahre fort.

Gustav Hör war eine außergewöhnliche Persönlichkeit. Alle, die ihn kennen, wissen um sein schier unermessliches Wissen nuklearmedizinischer Literatur, seine Liebe zum wissenschaftlichen Diskurs und seine klare, aber auch immer umgängliche Wesenhaftigkeit. Mit Gustav Hör als Träger der „Georg von Hevesy“-Medaille der Deutschen Gesellschaft für Nuklearmedizin verlieren wir einen der großen, engagierten Vertreter der Deutschen Nuklearmedizin.

Bernd Joachim Krause, Richard P. Baum, Frank-Dieter Maul