Adipositas - Ursachen, Folgeerkrankungen, Therapie 2019; 13(03): 173-174
DOI: 10.1055/a-0985-2236
Gesellschaftsnachrichten
Mitteilungen der Deutschen Adipositas Gesellschaft
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Stefanie Gerlach
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Publication Date:
04 September 2019 (online)

Deutsche Adipositas-Gesellschaft zum Europäischen Adipositas Tag am 18. Mai 2019: Adipositasversorgung etablieren und NutriScore in die Fläche bringen

München, den 17. Mai 2019. Zum morgigen Europäischen Adipositas Tag macht die Deutsche Adipositas-Gesellschaft (DAG) erneut darauf aufmerksam, dass es für die chronische Krankheit Adipositas (schweres Übergewicht) weiterhin keinerlei medizinische Regelversorgung in Deutschland gibt. „Eine entsprechende Petition gemeinsam mit den drei großen Adipositas-Selbsthilfeverbänden, die die gesetzliche Etablierung einer Regelversorgung der Adipositasversorgung auf Bundesebene fordert, liegt dem Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages seit letztem Jahr vor, seitdem hat sich nichts getan“, resümiert DAG-Präsidentin Professorin Martina de Zwaan, Medizinische Hochschule Hannover.

Im Hinblick auf die Prävention der Adipositas fordert die Adipositasspezialistin der wissenschaftlichen Expertise des Max-Rubner-Instituts zu folgen und das beste, dort getestete und für Europa zulässige Modell zur leichter verständlichen Nährwertkennzeichnung, den „NutriScore“ für Deutschland zu übernehmen: zahlreiche wissenschaftliche Studien belegen, dass der NutriScore Kaufentscheidungen von Verbrauchern gesundheitsförderlich beeinflussen kann und daher für die Vermeidung von Fehlernährung und die Adipositasprävention ein wertvoller Baustein ist. „Frau Klöckner sollte politisch ‚grünes Licht‘ für den NutriScore geben“, empfiehlt DAG-Präsidentin de Zwaan.

„Derzeit ist die Therapie der Adipositas (schweres Übergewicht) keine Regelleistung der Krankenkassen. Das hat zur Folge, dass für hilfesuchende Patienten keine strukturierte Grundversorgung vorhanden ist und empfohlene multimodale Therapieprogramme nicht flächendeckend verfügbar sind“, erläutert Professorin de Zwaan. „Die Kostenübernahme zu adipositaschirurgischen Maßnahmen durch Krankenkassen ist meist eine Einzelfallentscheidung, die häufig Vorleistungen erfordert, die nicht Bestandteil der Regelversorgung sind – damit sind Patienten mit einem medizinischen Problem komplett sich selbst überlassen, das gibt es sonst nirgends im Gesundheitssystem und bedarf dringender Abhilfe!“ so die DAG-Präsidentin.

Adipositas ist ähnlich wie Diabetes Typ 2 oder Bluthochdruck eine chronische Erkrankung. Sie zeigt die Tendenz zu wiederholten Rückfällen (Rezidiven); unbehandelt verschlechtert sie sich in der Regel im Zeitverlauf. Mit zunehmendem Körpergewicht erhöht sich das Risiko, Folgeerkrankungen zu entwickeln. Adipositas gilt als Risikofaktor und Auslöser für mehr als 60 Folgekrankheiten. Je nach Schweregrad der Adipositas ist die Lebenserwartung um bis zu zwölf Jahre verkürzt. Adipositas ist therapierbar, aber nicht heilbar.

Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft empfiehlt gemäß ihrer wissenschaftlichen Leitlinien ganzheitliche, stadiengerechte und individuell abgestimmte, konservative und chirurgische Therapieansätze. Eine „gesunde“ Adipositas gibt es nicht – Adipositas noch ohne Folgekrankheiten oder körperliche Einschränkungen wird heute medizinisch eher als Vorstufe der Adipositas mit Folgekrankheiten eingestuft. Eine adäquate Versorgung wird behindert durch mangelndes Wissen bzgl. der Erkrankung – sowohl auf gesellschaftlicher als auch auf ärztlicher Seite. Die Ursachen bleiben im Einzelfall meist unbehandelt, stattdessen werden verspätete und kostenintensive Behandlungen der Begleit- und Folgeerkrankungen durchgeführt.

Das Ernährungsministerium ist laut Koalitionsvertrag beauftragt, bis zum Sommer 2019 eine leichter verständliche erweiterte Nährwertkennzeichnung für Deutschland vorzuschlagen. Das Max-Rubner-Institut (MRI) hat in einem im April 2019 veröffentlichten Bericht gängige europäische und außereuropäische Nährwertkennzeichnungsmodelle geprüft.

„Die Deutsche Adipositas-Gesellschaft favorisiert den NutriScore für eine leichter verständliche Nährwertkennzeichnung auf der Verpackungsvorderseite von Lebensmitteln. Der MRI-Bericht gibt sich alle Mühe, keine politische Entscheidung vorwegzunehmen, das Ergebnis ist aber eindeutig: mit 15 positiven Bewertungen von 18 geprüften Kriterien schneidet der für Europa zulässige NutriScore in der Summe am besten ab. Das Rad muss nicht immer neu erfunden werden. Wir empfehlen deshalb, politisch grünes Licht zur Verwendung des NutriScores in Deutschland zu geben. Langfristig ist sowieso eine europäische Lösung anzustreben und der NutriScore hat bereits breite europäische Zustimmung, z. B. in Frankreich, Belgien, Spanien und anderen EU-Ländern“, so Prof. de Zwaan. „Eine Neuentwicklung eines weiteren Modells, wie vom Bundesernährungsministerium angekündigt, verzögert eine Lösung im Sinne der Verbraucher über Jahre. Zudem ist es laut MRI-Bericht günstiger, überhaupt eine Front-of-pack-Kennzeichnung als keine solche Kennzeichnung zu haben“, fasst de Zwaan zusammen.

Dr. Stefanie Gerlach