intensiv 2019; 27(05): 230-231
DOI: 10.1055/a-0970-0326
Kolumne
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Mühen der Dienstplangestaltung

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Publication Date:
05 September 2019 (online)

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(Quelle: Paavo Blåfield/Thieme Gruppe)

In meinem bewegten Leben als Stationsleitung habe ich bestimmt schon etwa 300 Dienstpläne geschrieben. Und obwohl ich ja nun offensichtlich über ein gehöriges Maß an Routine verfügen sollte, will sich einfach keine Gelassenheit einstellen, wenn ich mich jeden Monat aufs Neue frisch ans Werk wage.

Ich glaube, ich könnte auf meiner Station Aushänge zu jedem Thema platzieren – kaum irgendetwas würde auch nur annähernd so großes Interesse finden wie der frisch geschriebene Dienstplan (abgesehen vielleicht von der Ankündigung allumfassender Gehaltserhöhungen, aber wir sind ja hier in der Realität und nicht in einer Traumwelt). Der Dienstplan kann, wie wir alle wissen, eine Halbwertszeit von oft nur wenigen Stunden bis zu ein paar Tagen haben, Letzteres aber auch nur, wenn wir ganz großes Glück haben. Gerade in diesem Monat ist es mir passiert: Dienstplan für nächsten Monat fertig, zwei Tage später: Kollegin meldet sich für viele Wochen krank. Der Kollegin wünsche ich natürlich gute Besserung, könnte aber selbst in die Tischkante beißen. Zum „Glück“ arbeitet diese Kollegin nur 75 Prozent, das macht das Ersetzen ihrer Dienste um 25 Prozent einfacher.

Aber was musste ich vorher nicht schon alles beachten?

Da haben wir grundsätzlich erst einmal das Arbeitszeitgesetz. An diesem Gesetz finde ich sehr amüsant, dass wir, die Mitarbeiter des Gesundheitswesens – neben denen der Feuerwehr, Restaurants, Hotels, Verkehrsbetriebe und der Landwirtschaft – in fast allen Ausnahmeregelungen ganz weit vorn genannt werden. So zum Beispiel bei der Regelung von Ruhezeiten, Sonn- und Feiertagsarbeit und Überstunden. Aber das ist ja nichts Neues, wir beklagen uns auch nicht und wenn ja, eher im Stillen, denn das hat man schließlich vorher gewusst. Ist aber auf Dauer trotzdem ein bisschen nervig.

„Je üppiger die Pläne blühen, umso verzwickter wird die Tat.“

Erich Kästner (1899–1974), deutscher Schriftsteller

Ich beginne bei der Planung, also wenn mein Dienstplan noch blank und jungfräulich oder bestenfalls nur mit den geplanten Urlauben bestückt ist, mit der Besetzung der Nacht- und Wochenenddienste, damit diese schon mal weg sind. Erster Fehler! Habe ich doch den „Wunschplan“ vergessen. Auf meiner Station hängt für jeden Monat ein sogenannter „Wunschplan“ aus, und hier muss ich meine Kollegen sehr loben, denn er wird nicht über Gebühr genutzt und ich hoffe bei plötzlichen Ereignissen auf das Prinzip Geben und Nehmen. Im Lauf der Jahre kenne ich ja meine Kollegen, deren Belastbarkeit und Bedürfnisse recht gut. Mancher möchte nur drei Nachtdienste am Stück, andere machen gern auch mal fünf bis sechs, möchten dann aber im Anschluss ein langes Frei. Mancher legt gar keinen Wert auf Nachtarbeit (nur wenn es unbedingt sein muss, die Schlaferei, die Hitze, die Kälte, die Helligkeit, die Dunkelheit, die Einsamkeit auf Station …). Wochenenddienste nach Beachtung des oben genannten Wunschplans – kein Problem. Bei den Tagdiensten läuft es ähnlich. Mancher liebt Spätdienst, andere eher weniger. Mancher arbeitet gern mal zehn bis zwölf Tage am Stück, andere wenige hätten gern zwischendurch mal einen Tag frei.

Dann geht es an den großen Rest. Hier sind die amtlich festgelegten Soll- und Mindestbesetzungen des Personals und die zu belegenden Betten an den bestimmten Werktagen zu beachten. Wir haben die merkwürdige und wahrscheinlich nur aus betriebswirtschaftlicher Sicht zu verstehende Regelung, dass wir am Sonntag und Montag weniger Betten und von Dienstag bis Samstag mehr Betten zu belegen haben. Entsprechend verändert sich die Anzahl der zu planenden Kollegen. Schade, dass das Bettenmanagement, die Sekretariate oder wer auch immer die Belegung und die OPs plant, diese Regelung oft ignoriert, sodass es durchaus passieren kann, dass ein Kollege, der glaubt, am Montag frei zu haben, am Sonntag einen Anruf bekommt und einen zusätzlichen Dienst „gewonnen“ hat.

Dann habe ich Fort- und Weiterbildungstermine zu beachten, die Teilzeitkollegen zu verplanen, die Krankenpflegehelfer strategisch günstig zu positionieren, die Kollegen zu beachten, die Kinder haben (egal ob in Kita oder Schule – Erstere haben abenteuerliche Öffnungszeiten und die anderen offensichtlich nicht enden wollende Ferien), dann die, die sich um Familienangehörige kümmern, die, die nebenbei studieren und feste Anwesenheitspflichten an der Uni leisten müssen, aktiv Sport treiben und regelmäßig Wettkämpfe haben oder aber dem FC Bayern sehr verbunden sind und als Fans mitreisen, Nebenjobs haben oder überhaupt und ganz verrückt ein Privatleben pflegen wollen.

Sollte meine Pflegedienstleitung das jemals lesen, weiß ich sehr genau, dass sie bei vielen dieser Aufzählungen anderer Meinung wäre und auf den zu erfüllenden Arbeitsvertrag hinweisen würde. Das ist sicherlich richtig und ich kann versichern, dass alle meine Kollegen dem auch nachkommen. Doch in unserem Beruf wird ein dermaßen hohes Maß an Flexibilität und Einsatzbereitschaft erwartet und auch gezeigt, dass mir beim kreativen, empathischen, oft verzweifelten Schreiben eines für alle zufriedenstellenden Dienstplans kein Zacken aus der Krone bricht, wenn ich auf die Bedürfnisse der Kollegen eingehe. Außerdem bin ich mir sehr bewusst darüber, dass der Dienstplan eines der wenigen, wenn nicht sogar das wichtigste Handwerkszeug einer Stationsleitung ist, das von den Kollegen wahrgenommen und bewertet wird und die ganze Stimmung und Dynamik im Team beeinflussen kann. (Wahrscheinlich knapp gefolgt von irgendwelchen Stationsfeiern.) Es können von den Häusern noch so viele Weiterbildungen, Aktionen oder Ähnliches angeboten werden. Der Dienstplan hat, aus meinen Erleben heraus, meist Prio eins und kann zum Stimmungsbarometer auswachsen.

Daher bin ich jeden Monat aufs Neue froh, wenn er fertig geschrieben ist und dann vielleicht sogar noch Gültigkeit bewiesen hat. Aber ich will jetzt nicht übermütig werden.

In diesem Sinne

Ihre

Heidi Günther

hguenther@schoen-kliniken.de