Balint Journal 2019; 20(02): 51
DOI: 10.1055/a-0923-7287
Leserbrief
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Kommentar von Herausgeber Hans-Peter Edlhaimb zum Leserbrief und dem zugrundeliegenden Beitrag

Hans-Peter Edlhaimb
1   Herausgeber des Balint Journals und Präsident der Österreichischen Balintgesellschaft
› Author Affiliations
Further Information

Publication History

Publication Date:
27 June 2019 (online)

Bezüglich des Einsatzes von Critical Incident Reports finde ich leider in dem Brief einen tendenziell abwertenden Grundton. Tatsächlich haben wir in Österreich in der Medizin schon jahrzehntelang dieses Instrument erfolgreich im Einsatz. Zunächst im stationären Bereich etabliert, haben die Österreichische Ärztekammer und die Österreichische Gesellschaft für Qualitätsmanagement und Qualitätssicherung in der Medizin 2010 das CIR-System zur Verbesserung der Patientensicherheit auch im niedergelassenen Bereich eingeführt. Kolleginnen und Kollegen haben seither durch die anonyme Veröffentlichung von fehleranfälligen Situationen in der Patientenbehandlung viel voneinander gelernt und potentielle Fehlentscheidungen verhindern können.

Zum zweiten finde ich die Diskussion um die Methoden in der Balint-Arbeit wichtig und sie sollte mehrperspektivisch bedacht werden. Michael Balint hat mit den von ihm eingeführten Reflexionsgruppen nicht die Psychoanalyse ins Zentrum gestellt, sondern die Arbeit an der Arzt-Patienten-Beziehung. Zu seiner Zeit verwendete er das ihm zugängliche Instrument der sich ständig wandelnden Psychoanalyse. Nach einem Jahrhundert hat sich sowohl in der Psychoanalyse als auch in der gesamten Psychotherapieforschung vieles geändert. Die unserem Handeln zugrundeliegende Philosophie hat sich grundlegend verändert. So ist das Menschen- und Weltbild deutlich differenziert zu dem vor 100 Jahren und muss in die Reflexionen zur zwischenmenschlichen Beziehung, zur Arzt-Patienten-Beziehung einbezogen werden. Ebenso hat sich das Ensemble psychotherapeutischer Instrumente erheblich erweitert und sollte im Sinne des progressiven Forschers Michael Balint in die Gruppenarbeit einbezogen werden.