Balint Journal 2019; 20(02): 58-59
DOI: 10.1055/a-0914-9664
Tagungsbericht
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mainzer Balintwerkstatt erfolgreich gestartet

Entwicklung und Tagungsbericht
Erich Weiß
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Publication History

Publication Date:
27 June 2019 (online)

1988 hatte sich am Burckhardthaus in Gelnhausen, dem Evangelischen Institut für Jugend-, Kultur- und Sozialarbeit e.V., die Arbeitsgemeinschaft Balintgruppenleitung gegründet. Sie bestand aus Absolventinnen und Absolventen des ersten Durchgangs der Weiterbildung Balintgruppenleitung, den das Weiterbildungsinstitut ein- und durchgeführt hatte. Schon vorher gab es am Burckhardthaus eine Supervisionsweiterbildung. Diese war psychoanalytisch ausgerichtet, was den Gedanken nahelegte, das Fallverstehen und die Beziehungsdynamik in Supervisionsprozessen mithilfe von Balintgruppen besser verstehen zu können. Da es BalintgruppenleiterInnen nur aus dem medizinischen Bereich gab, kam es dann zur Entwicklung eines eigenen Curriculums und zunächst unter der Leitung von Renate Strömbach und Karl-Hermann Schäfer und später dann von Peter Musall zu einer eigenen Weiterbildung; der damals ersten und einzigen Ausbildung zur Leitung von Balintgruppen für Menschen ohne medizinischen Beruf.

Zu Beginn traf sich die Arbeitsgemeinschaft zweimal und später dann einmal im Jahr, um sich in der Arbeitsweise gemeinsam zu bestärken, hinzuzulernen und sich weiterzuentwickeln. Die Arbeitsgemeinschaft wuchs, da fortlaufend neue AbsolventenInnen weiterer Kurse dazu kamen. Die Treffen waren immer sehr lehrreich, bereichernd und von einer starken Kollegialität geprägt. Als Referenten und für die Leitung der Balintgruppen sowie in der Weiterbildung wurden immer erfahrene LeiterInnen eingeladen, so u. a. Prof. Dr. Jürgen Körner, Dr. Andor Harrach, Marina Gambaroff, Prof. Dr. Elisabeth Rohr, Gabriele Teckentrupp, Prof. Dr. Karl König, Dr. Jörg Kaspar Roth, Prof. Dr. Peter Kutter, Prof. Dr. Adrian Gaertner, Dr. Martin Schott.

Nach Schließung des Burckhardthauses ging die Arbeitsgemeinschaft auf Wanderschaft. Die Treffen fanden in verschiedenen Städten statt. Man traf sich in Erfurt, Hannover, Frankfurt am Main, Königswinter. Die letzten Jahre wurde dann Mainz wieder zu einem festen Treffpunkt.

Neben der räumlichen Suche begab sich die Arbeitsgemeinschaft aber auch inhaltlich auf die Suche. So wurde ein eigenes Curriculum für eine Weiterbildung zum Balintgruppenleiter entwickelt und mit der International Psychanalytic University in Berlin umgesetzt. Durch langjährige positive professionelle Kontakte durch Rita Pongratz in der Zusammenarbeit innerhalb der Aachener Fachtagung der Deutschen Balintgesellschaft entstand eine wachsende Kooperation mit der DBG. Eine weitere Annäherung fand statt, indem Herr Dr. Kanzow aus Kiel in zwei Jahren hintereinander als Referent und Balintgruppenleiter eingeladen wurde. So wuchs die Idee, zu versuchen, unter dem Dach der Deutschen Balintgesellschaft einen Platz zu finden. Nach Ausweitung der Kooperation und mehreren Kontakten und Begegnungen traten die Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft der Deutschen Balintgesellschaft bei. Die DBG wurde dann auch in der Weiterbildung zum Kooperationspartner.

Nach 30 Jahren der Organisation in Eigenregie und einem großen Jubiläumsfest, fand in diesem Jahr nun die Zusammenkunft zum ersten Mal mit der Deutschen Balintgesellschaft als Organisator statt. Im Fokus stand die Begegnung von BalintgruppenleiterInnen aus verschiedenen Berufsfeldern sich begegnen sollten: Balintgruppenleitung multiprofessionell. Als Thema wurde entsprechend gewählt: „Balintarbeit und Supervision in Beratung und Therapie“. 30 Personen haben sich dafür angemeldet. Neben dem Stamm aus der Arbeitsgemeinschaft kamen SupervisorInnen, die beim Fortbildungsinstitut für Supervision (FiS) die dort wieder neu aufgenommene Weiterbildung Balintgruppenleitung begonnen oder schon abgeschlossen haben. Daneben nahmen Ärzte verschiedener Fachrichtungen und Psychologen teil.

PD Dr. Günther Bergmann und Dr. Rainald Neumeier leiteten die 2 Balintgruppen. In einer sehr intensiven Arbeit wurden 4 Fälle aus Arztpraxen und 3 Fälle aus Supervisionsprozessen bearbeitet. PD Dr. Günther Bergmann hielt auch einen sehr interessanten Vortrag zu dem Thema: „Balintgruppe und Supervision – different or similar?“ Dabei wurde deutlich, wo die Gemeinsamkeiten und Unterschiede liegen. In der anschließenden Diskussion wurde noch einmal das Thema vertieft. Viele Fragen, die aufgetaucht waren, konnten aber in der Kürze der Zeit nicht geklärt werden.

Es wurde auch deutlich, dass Balintgruppenleiterinnen und – leiter ihr spezifisches Wissen in ihren jeweils anderen beruflichen Bezügen nutzen und schätzen.

So gehört wohl den teilnehmenden Medizinerinnen und Medizinern, den Therapeutinnen und Therapeuten und den Supervisorinnen und Supervisoren das psychoanalytische Fallverstehen zum täglichen Handwerkszeug.

Im Laufe der Tagung entwickelte sich ein geeigneter Sprachgebrauch, der die eingebrachten Fälle in der abschließenden Meta-Betrachtung der gemeinsamen Balintgruppenarbeit in medizinische, psychotherapeutische und supervisorische Fälle kategorisierte. Mit dem Letzteren war gemeint, dass Supervisorinnen und Supervisoren in einer Balintgruppe ihre beratende Arbeit mit Gruppen oder Teams vorstellen, die in der Supervision Fälle einbringen.

Auch wenn im medizinischen Feld Arbeitsteams, Patientenfamilien oder auch Patientengruppen eine Rolle spielen, so war doch der wesentliche Betrachtungsfokus dieser Balintgruppenarbeit das Arzt-Patientenverhältnis und damit die Dyade.

In den bearbeiteten therapeutischen Fällen waren schon deutlich mehr ganze Beziehungssysteme im Blick, etwa ein Kind und seine Eltern, Geschwister, Großeltern, Schule, usw.

In den supervisorischen Fällen, in denen ja das Verstehen einer Beratung im Vordergrund steht, in der vorher eine Fallberatung stattfand, wurde hingegen vielfältig auch mit Phänomenen von Gruppen und ihren Dynamiken umgegangen.

Trotz dieser vermeintlichen Unterschiede war in der gemeinsamen Balintgruppenarbeit, in der gemeinsamen Verstehenssuche, die berufliche Herkunft weder bedeutsam noch zu bemerken.

In den Diskussionen konnte auch deutlich werden, welch hohe Bedeutung es hat und welch enorme Errungenschaft es ist, dass in Deutschland in der Ausbildung von Medizinerinnen und Medizinern die Teilnahme an Balintgruppen implementiert ist und dass damit jede neue Ärztin und jeder neuer Arzt mit der Dimension des Unbewussten in ihrer oder seiner professionellen Beziehungen in Kontakt kommt. Auf dem vor Ort berufspolitisch erklärten Hintergründen wurde dann auch verständlich, dass für die Leitung solcher in die medizinische Ausbildung eingegliederter Balintgruppen nur zur Balintgruppenleiterin oder zum Balintgruppenleiter ausgebildete Medizinerinnen und Mediziner in Frage kommen.

In der Abschlussrunde zeigten sich alle Teilnehmenden mit dem Verlauf und den Ergebnissen hoch zufrieden. So wurde die Multiprofessionalität als große Bereicherung erlebt, die der Balintgruppenarbeit noch einmal einen besonderem Stellenwert gab. Die hohen Fachlichkeit der Anwesenden wurde mit großer Anerkennung erwähnt. Außerdem wurde festgestellt, dass es ein gemeinsames analytisches Grundverständnis und somit eine gemeinsame Sprache gibt. Aber auch die Kultur der Tagung fand Anklang. Die Teilnehmenden fühlten sich willkommen und wohl.