Handchir Mikrochir Plast Chir 2019; 51(03): 211-212
DOI: 10.1055/a-0914-3027
Der interessante Fall
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Makrodaktylie des Daumens in Verbindung mit einem lipofibromatösen Hamartom des Nervus medianus im Karpaltunnel

Macrodactyly of the thumb in connection to a lipofibromatous hamartoma of the median nerve in the carpal tunnel
Sandra Latten
,
Gustav Andreisek
,
Joachim Ganser
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Publication History

Publication Date:
05 June 2019 (online)

Ein seltener Auslöser des Karpaltunnelsyndroms ist eine tumorähnliche Veränderung des Nervus medianus: das lipofibromatöse Hamartom. In das Peri- und Epineurium ist fibroadipöses Gewebe eingelagert, welches neben einer Separierung der Nervenfaszikel zu einer homogenen Auftreibung des Nervens führt. Es ist für viele periphere Nerven und Plexen beschrieben, betrifft aber am häufigsten den Nervus medianus im Karpaltunnel.

Von Mason erstmals 1952 beschrieben und von Bonfiglio mit dem heute gängigen Namen versehen, wird es von der WHO, unter Vernachlässigung der fibrösen Komponente, als einfache Nervlipomatose klassifiziert.

Wir beschreiben den Fall eines 20-jährigen Patienten. Diesem waren schon seit früher Kindheit Knötchen auf der etwas vergrößerten rechten Daumenkuppe und eine leichte Vorwölbung des rechten Handgelenks bekannt. Gefühlsstörungen und Kraftverlust der rechten Hand traten allerdings erst mit 19 Jahren auf.

In der klinischen Untersuchung fielen eine mäßige Thenaratrophie, ein positives Tinel-Zeichen über dem leicht prominenten Nervus medianus proximal des Handgelenks ([ Abb. 1 ]) und kleine subkutane Knötchen auf der Kuppe des vergrößerten rechten Daumens auf ([ Abb. 2 ]).

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Abb. 1 Angedeutete Vorwölbung über dem Handgelenk.
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Abb. 2 Makrodaktylie mit subkutanen Lipofibromen.

Neurographisch waren die motorischen Latenzen des N. medianus von Ellenbeuge bis Handgelenk und über dem Karpaltunnel verdoppelt respektive verdreifacht.

In der Nervensonographie zeigten sich echoarme koaxiale Nervenkabel eingelagert in echoreichem Substrat ([ Abb. 3 ] und [ Abb. 4 ]).

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Abb. 3 Sonographischer Querschnitt des Nervus medianus über rechtem Handgelenk. Echoarme koaxiale Nervenkabel liegen in echoarmem Substrat.
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Abb. 4 Sonographischer Längsschnitt des Nervus medianus über rechtem Handgelenk.

Das MRI lieferte das pathognomonische Bild von „Nervenkabeln“ in der axialen Schnittebene ([ Abb. 5 ]) und einem „Spaghetti“-Muster in der koronaren und sagittalen Schnittebene ([ Abb. 6 ]).

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Abb. 5 MRI in axialer Schnittebene in Höhe der rechten Handwurzel. Koaxiale, voneinander abgesetzte Faszikel des Nervus medianus.
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Abb. 6 MRI mit sagittaler Schnittebene in Höhe des rechten Handgelenks. Typisches Spaghetti-Muster der Nervus medianus-Faszikel.

Aus neurologischer Sicht war die Therapieempfehlung einer zügigen Druckentlastung unumstritten. Die Darstellung des Nervus medianus im MRI wurde als pathognomonisch bewertet, eine Biopsie mit Gefahr einer Nervenläsion war somit überflüssig bzw. kontraindiziert.

Der intraoperative Befund bestätigte die präoperativ gestellte Diagnose ([ Abb. 7 ] und [ 6 ]). Bei segmentaler lipofibromatöser Veränderung des N. medianus beschränkt auf den Karpalkanal und nur gerade sichtbarer Makrodaktylie des Daumens wurde sich auf eine Spaltung des Retinaculum flexorum beschränkt und kein Zugriff am N. medianus oder seinen Endästen durchgeführt. Postoperativ sistierten die Gefühlsstörungen nach 4 Wochen komplett. Die Daumenopposition erholte sich in dieser Zeit bereits von M3 auf M4.

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Abb. 7 Intraoperativer Befund nach Spaltung von Karpaltunnel und distaler Unterarmfaszie. Der Nervus medianus ist homogen aufgetrieben.
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Abb. 8 Ausschnitt aus [ Abb. 7 ]: Der Übergang von normaler zu pathologischer Nervenstruktur ist fließend.