Endo-Praxis 2019; 35(02): 64-66
DOI: 10.1055/a-0898-8757
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Ein Visier beim Endoskopieren?

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Publication Date:
16 May 2019 (online)

Flexible Endoskope und endoskopisches Zusatzinstrumentarium werden im Rahmen von endoskopischen Eingriffen intensiv mit Blut und Körperflüssigkeiten kontaminiert. Es wird immer wieder von nosokomialen Infektionen und Ausbrüche im Rahmen von endoskopischen Eingriffen berichtet, bei denen Patienten zu Schaden kommen. Im Gegensatz dazu finden sich keine Berichte über Infektionen des Endoskopikers oder der Endoskopieassistenz, obwohl in Richtlinien auf die potenzielle Infektionsgefahr für den Endoskopiker und die Assistenz hingewiesen wird.

Aerosolbildung und Spritzeffekte werden als Infektionsweg bei endoskopischen Eingriffen angeführt. Aerosole entstehen durch den Patienten selbst, indem dieser zum Beispiel hustet oder Sekret auswirft. Daher ist das Tragen eines Mund-/Gesichtsschutzes bei Bronchoskopien gut etabliert, bei gastroenterologischen Eingriffen allerdings weniger.

Spritzeffekte entstehen in besonderem Maße durch das Zusammenspiel von Endoskop und endoskopischem Zusatzinstrumentarium. Beim Herausziehen von Instrumenten aus dem Arbeitskanal und beim Handling mit langen Instrumenten wie Führungsdrähten kommt es zu Verspritzungen sowie zur Kontamination des Personals und der Arbeitsumgebung.

Bei endoskopischen Eingriffen werden daher nicht nur die Hände des Personals kontaminiert. Jeder erlebt in der täglichen Routine, dass Arme und Oberkörper mit Körpersekreten kontaminiert werden können. Daher werden in Richtlinien langärmlige Schutzkittel bei endoskopischen Eingriffen empfohlen [1 – 5].

Brillenträger finden nach endoskopischen Eingriffen durchaus Spritzeffekte auf ihren Brillengläsern, obwohl sie eine Kontamination nicht bewusst wahrgenommen haben. Endoskopiker und Endoskopiefachpersonal kennen darüber hinaus Situationen, in denen eine Biopsiezange oder ein Draht das Gesicht berührt hat. Das Tragen eines Gesichtsschutzes hat sich in Deutschland bisher leider noch nicht durchgängig etabliert.

Die KRINKO-Empfehlungen und TRBA 250 können nicht auf jede Situation individuell eingehen und empfehlen daher verallgemeinert, dass die Körperstellen geschützt werden sollen, die potenziell kontaminiert werden könnten [1, 2] ([ Abb. 1 ]).

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Abb. 1 Korrekte Schutzkleidung für endoskopische Eingriffe.

Die Personalschutzmaßnahmen begründen sich vor allem aus logischen Schlussfolgerungen, indem man potenzielle Infektionsquellen und -wege berücksichtigen und das potenzielle Infektionsrisiko für das Personal minimieren will. Da evidenzbasierte Daten für die Endoskopie nicht verfügbar sind, finden sich alle möglichen Variationen in der Nutzung von persönlicher Schutzausrüstung.

Aus diesem Grund hat eine Arbeitsgruppe in den USA versucht, Daten zur Personal- und Umgebungskontamination zu ermitteln [6]. In einer prospektive 6-monatigen Studie mit 4 Gastroenterologen wurde untersucht, wieweit der Gesichtsschutz des Endoskopikers und die Umgebung im Rahmen von Routineeingriffen (ÖGD, Koloskopie und EUS) kontaminiert wurden. Leider wurde das Endoskopiefachpersonal nicht in die Studie eingebunden. Der Keimnachweis erfolgte nur quantitativ. Es wurde keine Keimspezifizierung durchgeführt.

Der Gesichtsschutz bestand aus einem Visier, das während eines halbtägigen Endoskopie-Programms (7:30 – 12:00 Uhr) getragen wurde. Der Gesichtsschutz wurde zu Beginn und zum Ende des Programms abgestrichen, um die Keimbelastung zu ermitteln. Als Vergleichsparameter wurden Visiere in Gesichtshöhe (1,80 m) an die Wand im Endoskopieraum und an die Wand in einem stark frequentierten Patientenbereich gehängt. Die Abstriche wurden 48 Stunden lang kultiviert.

In 239 Endoskopie-Programmen wurden insgesamt 1100 Eingriffe durchgeführt (ca. 5 Eingriffe pro morgendlichem Programm). Erwartungsgemäß wiesen die nicht-sterilen Visiere zu Beginn des Endoskopie-Programms in der Mehrheit keine Kontaminationen auf. Nach Ende des halbtägigen Programms zeigten 45,8 % der getragenen Visiere Kontaminationen auf. Die Autoren sprachen von einer bakteriellen Exposition, wenn mehr als 15 KBE gefunden wurden. Dies traf bei 12 Endoskopiker-Visieren zu (5,3 %). Die Kontrollbereiche im Endoskopieraum und im Patientenbereich lagen deutlich darunter (s. [ Tab. 1 ]). Die Endoskopiker zeigten nur 4 bewusste Kontaminationen ihrer Visiere durch Patientensekrete an. Drei der 4 untersuchten Visiere zeigten Kontaminationen, allerdings < 5 KBE. Diese Visiere wurden nicht bei den Ergebnissen berücksichtigt.

Tab. 1

Ergebnisse.

kein Wachstum

1 – 15 KBE

16 – 30 KBE

31 > 100 KBE

präendoskopisch

Gesicht des Endoskopikers
n = 227

216 (95,2 %)

10 (4,4 %)

1 (4,0 %)

0

Wand im Endoskopieraum
n = 117

113 (96,6 %)

4 (3,4 %)

0

0

Wand im Patientenbereich
n = 50

49 (98,0 %)

1 (2,0 %)

0

0

postendoskopisch

Gesicht des Endoskopikers
n = 227

124 (54,6 %)

91 (41,0 %)

6 (2,6 %)

6 (2,6 %)

Wand im Endoskopieraum
n = 117

91(77,8 %)

22 (18,8 %)

3 (2,6 %)

1 (0,8 %)

Wand im Patientenbereich
n = 50

42 (84,0 %)

8 (16,0 %)

0

0

KBE = Kolonien bildende Einheiten

Im Rahmen der Studie wurde ergänzend eine Umfrage unter 31 Endoskopikern (12 junge Endoskopiker in Ausbildung, 19 erfahrene Gastroenterologen) durchgeführt, um die Akzeptanz von Schutzkleidung zu ermitteln. 68 % der Endoskopiker berichteten von Kontaminationen ihres Gesichtes im Rahmen von endoskopischen Untersuchungen.

Die Umfrage ergab auch, dass junge Endoskopiker eher bereit sind, ihre Praxis zum Gesichtsschutz zu ändern als etablierte Gastroenterologen, mit folgender Änderungsbereitschaft: 58 % vs. 17 % „absolut“, 42 % vs. 67 % „bereit zu prüfen“ und 0 % vs. 17 % „nein“.

Fazit:

Bei endoskopischen Eingriffen besteht ein deutliches Risiko, dass das Gesicht des Endoskopikers mit potenziell infektiösem Material kontaminiert werden kann. Die Studie zeigte in 45,8 % eine Kontamination des Visiers. Zwar handelt es sich in der Mehrzahl um eine geringe Keimbelastung, aber das Risiko besteht, zumal nur wenige Kontaminationen bewusst wahrgenommen wurden.

Da die Assistenz in direkter Nähe zum Patienten und zum Endoskopiker arbeitet, besteht auch beim Endoskopiepersonal ein entsprechendes Risiko, dass das Gesicht kontaminiert wird. Diese Exposition kann zur Übertragung von Infektionskrankheiten führen. Daher ist ein universeller Gesichtsschutz beim Endoskopiker wie auch bei der Endoskopieassistenz während endoskopischen Eingriffen zu empfehlen.

Ulrike Beilenhoff, Ulm

Referenzen

[1] Empfehlung der Kommission für Krankenhaushygiene und Infektionsprävention (KRINKO) beim Robert Koch-Institut (RKI) und des Bundesinstitutes für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM). Anforderungen an die Hygiene bei der Aufbereitung von Medizinprodukten. Bundesgesundheitsbl 2012; 55: 1244–1310

[2] Technische Regel für Biologische Arbeitsstoffe 250. Biologische Arbeitsstoffe im Gesundheitswesen und in der Wohlfahrtspflege (TRBA 250). GMBl 2014, Nr. 10/11 vom 27.03.2014

[3] Association for the Advancement of Medical Instrumentation ANSI/AAMI ST91:2015. Flexible and semi-rigid endoscope processing in health care facilities. http://www.aami.org

[4] Denzer U., Beilenhoff U, Eickhoff A. S2k-Leitlinie Qualitätsanforderungen in der gastrointestinalen Endoskopie. Z Gastroenterol 2015; 53: E1–E227

[5] Beilenhoff U, Blum R, Biering H et al. Reprocessing of flexible endoscopes and endoscopic accessories used in gastrointestinal endoscopy: Position Statement of the European Society of Gastrointestinal Endoscopy (ESGE) and European Society of Gastroenterology Nurses and Associates (ESGENA) – Update 2018. Endoscopy 2018; 50: 1205–1234

[6] Johnston ER, Habib-Bein N, Dueker JD et al. Risk of bacterial exposure to the endoscopist’s face during endoscopy. Gastrointest Endosc 2019; 89: 818–824