Endo-Praxis 2019; 35(03): 106
DOI: 10.1055/a-0888-9524
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Endoskopie im Laufe der Zeit und ihre Anfänge in Mainz und Frankfurt

R. Duchmann
1   Medizinischen Klinik, Hospital zum heiligen Geist GmbH, Frankfurt/Main
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Publication Date:
09 August 2019 (online)

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Prof. Dr. med. Rainer Duchmann

Im letzten Editorial, das sich mit der Zukunft der Endoskopie beschäftigte, hatte ich Ihnen für dieses Heft, sofern sich kein aktuelles Thema aufdrängen sollte, einen kurzen Rückblick auf die Ursprünge der modernen Endoskopie angekündigt.

An aktuellen Themen ist weiterhin kein Mangel. Andererseits bin ich im Rhein-Main-Gebiet geboren, habe in Frankfurt am Main Medizin studiert, meinen beruflichen Weg an der Universität Mainz begonnen und bin seit einigen Jahren wieder in Frankfurt tätig. Ich kann daher nur schwer bzw. gar nicht widerstehen, Ihnen die in Mainz und Frankfurt beginnende und von dort in die Welt gehende Geschichte der modernen Endoskopie zu erzählen. Und diese geht, zumindest kursorisch, so:

Philipp Bozzini wurde als Sohn eines italienischen Einwanderers am 23.5.1773 in Mainz geboren. Er begann dort das Studium der Medizin, wechselte nach Jena, kehrte 1796 nach Mainz zurück und ließ sich dort und ab 1803 in Frankfurt als praktischer Arzt nieder. Bozzini konstruierte den Urtyp aller modernen Endoskope, ein starres System, bestehend aus einem Beleuchtungsapparat, bei dem sich in einem gefensterten Rohr eine Wachskerze und ein Konkavspiegel (Hohlspiegel) befanden, sowie den Körperöffnungen entsprechende Spekula. Er bezeichnete seine Erfindung als Lichtleiter und publizierte sie erstmals 1805. Anwendungen sah er für viele Körperöffnungen, inkl. des Mastdarms, beschränkte seine eigenen Untersuchungen als Geburtshelfer jedoch auf die weibliche Harnblase und auf gynäkologische Fragestellungen. 1809 starb er im Alter von 36 Jahren bei einer Typhusepidemie. Seine Erfindung geriet unter anderem aufgrund seines frühen Todes zunächst in Vergessenheit, wurde dann jedoch in Paris, das über geeignete Instrumentenmacher verfügte, verbessert. Desormeaux war 1853 der Erste, der sein Instrument Endoscope nannte und damit Einblicke in die Harnröhre bis zur Blase erlangte.

Der nächste große und für uns gastroenterologische Endoskopiker bedeutsame Schritt gelang Adolf Kussmaul. 1868 nahmen Kussmaul und Julius Müller, inspiriert durch die Darbietungen eines Schwertschluckers im Freiburger Gasthaus Wolfshöhle, die erste Sondierung von Ösophagus und Magen mit einem starren Rohr vor. Das erste klinisch einsetzbare Gastroskop mit Beleuchtung und Spülung wurde jedoch erst 1881 durch den österreichischen Instrumentenbauer Josef Leiter und den Chirurgen Johann von Mikulicz-Radecki gebaut. 1883 diagnostizierte Mikulicz, mit seinem immer noch starren Endoskop, als Erster ein Magenkarzinom am lebenden Menschen. Weitere Verbesserungen folgten.

Der erste Gastroskopie-Atlas, Rudolf Schindlers Lehrbuch und Atlas der Gastroskopie, erschien 1923, mit eindrücklich aquarellierten Illustrationen, auf Grundlage von 400 selbst durchgeführten Endoskopien. 1924 ließ sich Schindler in München in eigener Praxis mit Schwerpunkt Endoskopie nieder. 1928 bis 1932 entwickelte er zusammen mit dem Berliner Instrumentenbauer Georg Wolf das semiflexible Endoskop, das weltweit für viele Jahre zum Standardendoskop wurde. Als Emigrant wurde er in Chicago bald zu einem der führenden Gastroskopiker und gründete 1941 den American Gastroscopic Club, aus dem 1946 die American Gastrocopic Society und 1961 die Amerikanischen Gesellschaft für Gastrointestinale Endoskopie (ASGE) hervorging. Es ist sicher eine Anekdote wert, dass Klaus Mergener, Kommilitone aus gemeinsamen Frankfurter Studienzeiten der 1980er-Jahre, seit 2018 als Vize-Präsident und ab 2020 als Präsident der ASGE diesen bedeutenden deutschen Beitrag in den USA fortsetzen wird.

1963 kam das 1957 von Basil Isaac Hirschowitz, C. W. Peters und L. E. Curtiss publizierte vollflexible Glasfaserendoskop in Deutschland auf den Markt und ermöglichte unter anderem die Endoskopie des unteren Gastrointestinaltraktes. Viele wichtige Entwicklungen, die hier nicht mehr dargestellt werden können, folgten, auch weiterhin unter Beteiligung deutscher Endoskopiker, wie L. Demling, M. Classen und anderen.

Ihr
Rainer Duchmann