ergopraxis 2019; 12(06): 6-8
DOI: 10.1055/a-0883-2459
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Publication Date:
07 June 2019 (online)

Gesundheitsbonus in Bayern: Segen oder Fluch? – Kostenfreie Ausbildung

Dass immer weniger junge Menschen eine Ausbildung in einem Gesundheitsberuf absolvieren, ist ein Problem. Den Heilmittelerbringern fehlt der Nachwuchs, was den vorherrschenden Fachkräftemangel noch verschärft. Michael Piazolo, Kultusminister von Bayern, möchte das mit dem sogenannten Gesundheitsbonus ändern. Dabei handelt es sich um einen Zuschuss des Landes, den private Berufsfachschulen erhalten, wenn sie kein Schulgeld mehr verlangen. Damit wäre die Ausbildung für die Lernenden kostenfrei und wieder deutlich attraktiver.

Die Einführung des Gesundheitsbonus wurde am 18. Mai 2019 durch eine Abstimmung im bayerischen Landtag über den Staatshaushalt 2019/20 beschlossen und gilt rückwirkend zum zweiten Schulhalbjahr 2018/19. Nun kann jede private Berufsfachschule selbst entscheiden, ob es für sie wirtschaftlicher ist, weiterhin Schulgeld zu verlangen oder den Gesundheitsbonus des Landes anzunehmen.

Die Höhe der Summe, die das bayerische Kultusministerium bislang vorgeschlagen hat, ist allerdings geringer als der Betrag, den die Schulen monatlich im Durchschnitt von ihren Lernenden verlangen. Es wäre also ein Minusgeschäft, das die Schulen über kurz oder lang dazu zwingen würde, zu schließen. Weiterhin Schulgeld zu verlangen wäre aus Wettbewerbssicht aber auch nicht vorteilhaft, da sich die Bewerbungen zukünftig vermutlich auf die Ausbildungsstätten konzentrieren, die eine kostenfreie Ausbildung anbieten. Und diese fehlenden Bewerber würden ebenfalls zur Schließung führen. Nun bleibt also abzuwarten, wie hoch der Gesundheitsbonus tatsächlich ausfallen wird. Was sich also zunächst für die Schulen nach einem verlockenden Angebot anhört, sollte wohlüberlegt sein.

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Die kostenfreie Ausbildung

ist seit langem ein Ziel, das Heilmittelerbringer in ganz Deutschland erreichen möchten. Laut einer Pressemeldung des Spitzenverbandes der Heilmittelverbände (SHV) vom Dezember 2018 erarbeiten das Bundesgesundheitsministerium und eine Bund-Länder-Gruppe momentan ein Konzept, wie die kostenfreie Ausbildung im gesamten Bundesgebiet umgesetzt werden könnte. Ob und wann es präsentiert werden soll, steht allerdings noch nicht fest.

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ergopraxis hat beim Verband Leitender Lehrkräfte an Schulen für Physiotherapie (VLL), bei der Leiterin einer bayerischen privaten Berufsfachschule für Ergotherapie sowie beim Verband Deutscher Ergotherapie-Schulen (VDES) und nachgefragt, wie sie die Einführung des Gesundheitsbonus einschätzen.

Außerdem haben zwei politische Parteien des Bayerischen Landtags Stellung bezogen.

Wie schätzen Sie die Einführung des Gesundheitsbonus ein?

Barbara Aigner, Landesvorsitzende des Verbandes Leitender Lehrkräfte an Schulen für Physiotherapie (VLL) Bayern

Die Verhandlungen waren nicht einfach, aber ein Kompromiss, der für beide Seiten akzeptabel ist, ist denkbar. Erst nach der endgültigen Verabschiedung des Doppelhaushaltes werden wir zuverlässig wissen, ob der Gesundheitsbonus so ausfällt, dass er für alle Schulen annehmbar ist. 2021 muss der Gesundheitsbonus dann neu verhandelt und an die Lohn- und Kostenentwicklung angepasst werden.

Maria Kohlhuber, stellvertretende Leitung der Berufsfachschule für Ergotherapie „Akademie Schönbrunn“

Der Gesundheitsbonus ist ein erster Schritt, um dem Fachkräftemangel in der Ergotherapie entgegenzuwirken. Allerdings ist es ein freiwilliger Zuschuss in Bayern. Grundsätzlich wäre die Problematik aus meiner Sicht auf Bundesebene zu klären, wie im Koalitionsvertrag auch angekündigt. Wenn jedes Bundesland dazu ein eigenes Konstrukt strickt, schafft das eher Konkurrenz, als dass die Ausbildung überall gleich gut und attraktiv ist.

Joachim Rottenecker, Geschäftsführer des Verbandes Deutscher Ergotherapie-Schulen (VDES)

Der Verband der Deutschen Ergotherapie-Schulen begrüßt alle Länderinitiativen zur Abschaffung des Schulgeldes, so auch den sogenannten Gesundheitsbonus der bayrischen Landesregierung. Nachdem der erste, völlig unzureichende Vorschlag vom Tisch ist und durch eine deutliche Erhöhung entsprechend der Forderung der Träger ersetzt wurde, gilt es nun diesen Vorschlag zügig und bürokratiearm umzusetzen.

Wie sähe Ihrer Meinung nach die ideale Lösung für die geplante kostenfreie Ausbildung aus?

Bernhard Seidenath, gesundheitspolitischer Sprecher der CSU-Landtagsfraktion in Bayern

Die CSU-Landtagsfraktion hat sich massiv dafür eingesetzt, dass der Gesundheitsbonus akzeptabel ausfällt. Es ist gelungen, dass die bisherigen Schulgeldzahlungen – rückwirkend zum Schulhalbjahr 2018/2019, also zum 18. Februar 2019 – vom Freistaat kompensiert werden. Mit diesen Zahlungen geht Bayern in Vorleistung für den Bund, der die Schulgeldfreiheit noch in dieser Legislaturperiode einführen möchte. Die Schulgeldfreiheit ist so wichtig, um die Heilmittelbranche für den dringend benötigten Nachwuchs attraktiver zu machen. Im Herbst 2019 soll der Gesundheitsbonus evaluiert und gegebenenfalls nachgebessert werden.

Christina Haubrich, gesundheitspolitische Sprecherin der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen in Bayern

Wir Grünen fordern die Schulgeldfreiheit für Gesundheitsfachberufe, aber nicht über den sogenannten Gesundheitsbonus. Sinnvoller wäre es gewesen, ein durchdachtes Konzept in Abstimmung mit den Schulen zu erarbeiten, bevor man leere Versprechungen macht. Die Bundesregierung hatte bereits in ihrem Koalitionsvertrag eine Schulgeldfreiheit für Gesundheitsfachberufe versprochen. Es bleibt abzuwarten, ob diese ein besseres Konzept vorlegt.