Der Schmerzpatient 2019; 2(02): 58-59
DOI: 10.1055/a-0873-6168
Gelesen und kommentiert
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Physiotherapeuten als Moderatoren zwischen Patienten und Arbeitgebern

Further Information

Publication History

Publication Date:
12 April 2019 (online)

Zusammenfassung der Studie

Hintergrund

In der westlichen Gesellschaft gilt die Arbeitsunfähigkeit aufgrund muskuloskelettaler Schmerzen (MSS) als eine der für das Gesundheitswesen kostenintensivsten Hauptursachen von Krankschreibungen. Dabei spielen – neben den unterschiedlichen Krankheitsursachen – auch die Gegebenheiten am Arbeitsplatz eine Rolle bei der Entstehung und Aufrechterhaltung der Beschwerden.


#

Ziel

Die jüngst publizierte Studie der südschwedischen Universität in Lund ging der Frage nach, ob ein frühzeitiger, von einem Physiotherapeuten moderierter Dialog zwischen Betroffenen und Arbeitgebern die Arbeitsfähigkeit von MSS-Patienten beeinflussen kann. In Schweden ist ein ärztliches Attest erst ab dem achten Krankheitstag erforderlich, vorher ist die Bestätigung eines Physiotherapeuten ausreichend.


#

Methodik

Design Paarweise randomisiert kontrollierte Studie (WorkUP)

Durchführung/Intervention Für ihre Untersuchung nutzten Sennehed et al. das Wissen und die Vorerfahrungen, die sie mit ‚Konvergenz-Dialog-Meetings‘ (CDM) bei Burnout-Patienten gemacht hatten, und passten die dort entwickelten Strategien für MSS-Patienten an. Die modifizierten CDMs beruhten auf einem dreistufigem, strukturierten Interviewmodell, bei dem sich der Betroffene, der Physiotherapeut sowie der Arbeitgeber zur gemeinsamen Diskussion treffen, um konkrete Vorschläge und Aktivitäten für die mögliche Rückkehr an den Arbeitsplatz zu vereinbaren.

Zur Studie wurden alle staatlichen und privaten Physiotherapiezentren in Südschweden (n = 210) eingeladen. In der Regel übernehmen diese Zentren die Grundversorgung der MSS-Patienten. An der Studie nahmen 20 Institutionen teil. Diese wurden a priori in möglichst einander entsprechende Paare eingeteilt, bei denen sich u. a. die Größe der Physiotherapiezentren, deren Patienten-Anzahl sowie der sozioökonomische Status der Patienten ähnelten. Die Patienten wurden dann randomisiert entweder den Interventions- oder den Referenzzentren zugewiesen. Die WorkUP-Studie lief über die kompletten Jahre 2013 und 2014.

In allen Zentren wurde eine strukturierte Intervention durchgeführt. Diese beinhaltete neben Anamnese, Assessment, Diagnose und evidenzbasierter Therapie auch die Nachverfolgung nach drei, sechs und zwölf Monaten. Die Patienten in den Interventionszentren erhielten zusätzlich die Möglichkeit zum therapeutisch moderierten CDM-Gespräch mit ihrem Arbeitgeber.

Für das Konvergenz-Gespräch wurde zunächst die Patientenerlaubnis zum Kontakt des Physiotherapeuten mit dem Arbeitgeber eingeholt und ggf. dieser Kontakt hergestellt. Im moderierten Gespräch zwischen Patient und Arbeitgeber wurden u. a. die Nacken-/Rückenschmerzen des Patienten hinsichtlich seines Arbeitsplatzes, die Möglichkeit der Rückkehr an den Arbeitsplatz und mögliche Veränderungen des Arbeitsplatzes zur besseren Wiedereingliederung besprochen. Zum Abschluss wurden die Gesprächsergebnisse hinsichtlich potentieller Arbeitsplatzverbesserungen sowie möglicher Verhaltensänderungen des Patienten schriftlich fixiert und als gegenseitige Vereinbarung unterzeichnet. Ob diese Vereinbarungen erfüllt wurden, war auch Gegenstand der Nachuntersuchungen.

Um diese spezielle Aufgabe bewältigen zu können, wurden die Physiotherapeuten der Interventionszentren durch erfahrene CDM-Therapeuten in zwei halbtägigen Sitzungen in Theorie und Praxis geschult. Zudem bestand während der Interventionsphase ein ständiger Support, der telefonisch und ggf. auch praktisch abgerufen werden konnte.

Ein- und Ausschlusskriterien In die Studie eingeschlossen wurden MSS-Patienten zwischen 18 und 60 Jahren, die sich wegen Nacken- oder Rückenschmerzen erstmalig oder erneut nach drei Monaten an eines der Physiotherapiezentren wandten. Die Patienten sollten nicht länger als 60 Tage krankgeschrieben sein, ein via Fragebögen ermitteltes hohes Risiko für Krankschreibung besitzen, im vergangenen Jahr mindestens vier Wochen en bloc gearbeitet haben und die Sprache verstehen.

Über dieses Procedere wurden 352 Patienten in die Untersuchungen eingeschlossen. In die finale Auswertung gingen 130 Patienten der Interventions- sowie 177 Patienten der Referenzgruppe ein. Die ausgewählten Testpersonen berichteten einmal wöchentlich über ein SMS-System über die Anzahl ihrer Krankschreibungstage. Als primärer Outcome-Parameter diente die Anzahl der Krankentage über vier Wochen ein Jahr nach der Intervention.


#

Ergebnisse

Die Randomisierung der Untersuchung verlief problemlos. Statistisch signifikante Differenzen der demografischen Daten gab es nicht. Insgesamt nahmen fast doppelt so viele Frauen wie Männer an der Studie teil. 30% aller Patienten litten unter Nackenschmerzen, lumbale Schmerzen stellten zu 70% die Ursache für die Therapie dar. Die wöchentlichen Rückmeldungs-Raten via SMS zu den Krankentagen waren sowohl in der Interventions- als auch in der Referenzgruppe außergewöhnlich hoch (84 – 99%).


#

Schlussfolgerung

Über den kompletten Nachuntersuchungszeitraum reduzierte sich die Dauer der Krankschreibungen in beiden Gruppen signifikant. Das Hauptergebnis war eine signifikant höhere Arbeitsfähigkeit der CDM-Interventionsgruppe (108/127; 85%) im Vergleich zur Kontrollgruppe ohne CDM (127/171, 74%; P = 0.02).


#