Informationen aus Orthodontie & Kieferorthopädie 2019; 51(01): 8-10
DOI: 10.1055/a-0809-2861
Sehen und Verstehen – KFO im Video
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Palatinal mediane Insertion von Mini-Implantaten

Manuel Nienkemper
1   Kieferorthopädische Fachpraxis, Düsseldorf
2   Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
,
Alexander Pauls
3   Kieferorthopädische Fachpraxis, Baden-Baden
,
Benedict Wilmes
2   Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
,
Dieter Drescher
2   Poliklinik für Kieferorthopädie, Universitätsklinikum Düsseldorf, Düsseldorf
› Author Affiliations
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Publication Date:
19 March 2019 (online)

Video 1 Palatinal mediane Insertion von Mini-Implantaten (http://dx.doi.org/10.1055/a-0809–2861).


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Im Folgenden wird das Vorgehen bei der Insertion von Mini-Implantaten mit Innengewinde zur Aufnahme von Suprakonstruktionen ([Abb. 1]; Benefit-System, psm Medical Solutions, Tuttlingen, Deutschland) im anterioren medianen Gaumen beschrieben [1]. Mithilfe dieser Apparaturen können vielfältige Behandlungsaufgaben wie Distalisierung, Mesialisierung und Molarenintrusion durchgeführt werden.

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Abb. 1 Benefit Mini-Implantat, psm Medical Solutions, Tuttlingen, Deutschland.

Zuerst erfolgt die Applikation eines Oberflächenanästhetikums mittels Wattepellet im Bereich der gewünschten Insertionsregion ([Abb. 2]). Anschließend wird der anteriore mediane Gaumen anästhesiert. Hier kommt aufgrund der notwendigen Druckapplikation das Citoject- beziehungsweise Ligaject-System zur Anwendung. Es bietet sich an, die Infiltrationsanästhesie an 3 verschiedenen Stellen am anterioren Gaumen durchzuführen ([Abb. 3]), um eine vollständige Betäubung der Insertionsregion zu gewährleisten.

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Abb. 2 Aufgrund von überlegenem Knochenangebot und Knochendichte favorisierte Insertionsregion bei der palatinal medianen Insertion von Mini-Implantaten.
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Abb. 3 Empfohlene Injektionsstellen bei der palatinalen Infiltrationsanästhesie, um eine vollständige Betäubung der Insertionsregion zu gewährleisten.

Anschließend erfolgt die Messung der Gingivadicke. Sie entscheidet mit über die endgültige Positionierung der Mini-Implantate. Hierzu wird ein Endostopp auf eine sterile gerade zahnärztliche Sonde gesteckt ([Abb. 4]) und die Gingiva mit leichtem Druck perforiert. Der Endostopp zeigt somit die Dicke der Gingiva an. Zusätzlich können Orthopantomogramm und Fernröntgenseitenbild zur Wahl der optimalen Insertionsregion herangezogen werden.

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Abb. 4 Gerade zahnärztliche Sonde mit Endostopp zur Gingivadickenmessung, um die optimale Position der Mini-Implantate bei minimaler Gingivadicke feststellen zu können.

Sowohl die Vorbohrung als auch die Insertion der Mini-Implantate kann manuell mittels Drehansatz oder elektrisch betriebener Motorhandstücke durchgeführt werden. Alternativ können auch chirurgische Einheiten zur Anwendung kommen [2]. Zuerst wird der entsprechende Vorbohrer ausgewählt. Bei Mini-Implantaten mit einem Durchmesser von 2 mm ist ein Vorbohrer mit 1,4 mm Durchmesser empfehlenswert ([Abb. 5]). Die Vorbohrung erfolgt lediglich durch die Kortikalis und orientiert sich an den anhand der Gingivadickenmessung definierten Insertionsstellen. Die anteriore Vorbohrung sollte etwa in Höhe des dritten Gaumenfaltenpaares liegen, da dort und posterior mit einem Maximum an Knochenqualität und -menge zu rechnen ist [3]. Bei Kindern und Jugendlichen kann gegebenenfalls auf eine Vorbohrung verzichtet werden.

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Abb. 5 Manueller Drehansatz mit Winkelstück und Vorbohrer (Bildquelle Vorbohrer: psm-Produktkatalog, psm Medical Solutions, Tuttlingen, Deutschland).

Die Wahl der Dimensionen der Mini-Implantate ist abhängig von Insertionsregion, Belastungsart und Dicke der Gingiva. Im anterioren Gaumen haben sich Mini-Implantate mit einem Durchmesser von 2 mm und einer Länge von 9 mm bewährt. Studien konnten zeigen, dass bei palatinal medianer Insertion eine 11 mm lange Schraube im Vergleich zu einer 9 mm Schraube keine erhöhte Stabilität aufweist [4] [5].

Da ein bekanntes Risiko bei der Insertion von Mini-Implantaten der Schraubenbruch darstellt [6], sollte die Insertion besonders bei fehlender Erfahrung unter Begrenzung des applizierten Drehmomentes durchgeführt werden [7]. Dies ist bei allen 3 zuvor erwähnten Gerätekategorien möglich [2]. Für Mini-Implantate mit einem Durchmesser von 2 mm werden Eindrehmomente unter 40 Ncm empfohlen [8].

Für die Insertion der Mini-Implantate wird der Schraubenhalter, welcher in 3 verschiedenen Längen erhältlich ist, in das Winkelstück eingebracht ([Abb. 6]). Nun wird das Mini-Implantat aus der Sterilhalterung entnommen. Die Friktion zwischen Schraubenhalter und Schraubenkopf gewährleistet einen sicheren Halt.

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Abb. 6 Manueller Drehansatz mit Winkelstück und Schraubenhalter (Bildquelle Schraubenhalter: psm-Produktkatalog, psm Medical Solutions, Tuttlingen, Deutschland).

Zuerst wird das anteriore Mini-Implantat inseriert. Hierbei sollte darauf geachtet werden, die Schraube rechtwinkelig zur Gingiva einzubringen. Hierbei ist sowohl die antero-posteriore als auch die laterale Dimension zu berücksichtigen, um eine gerade Insertion zu gewährleisten. Die Implantatschulter sollte die Gingiva leicht berühren. Eine zu tiefe Insertion ist zu vermeiden, da der Kopf des Mini-Implantates ansonsten von der umgebenden Gingiva überwuchert werden kann.

Anschließend folgt die Insertion der posterioren Schraube in gleicher Weise ([Abb. 8]). Es sollte darauf geachtet werden, dass ein ausreichender Abstand von mindestens 5 mm zum anterioren Mini-Implantat eingehalten wird, um die Transferkappen bei der Abdrucknahme für die Apparatur problemlos adaptieren zu können ([Abb. 7]).

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Abb. 7 Abdruckkappen und Schiebelehre zur Visualisierung des empfohlenen Mindestabstandes von 5 mm zwischen dem anterioren und posterioren Mini-Implantat.
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Abb. 8 Oberkieferaufsicht mit Molarenbändern und 2 palatinal median inserierten Benefit Mini-Implantaten.

Der Patient sollte abschließend bezüglich der Mundhygiene um die Mini-Implantate instruiert werden. Eine Manipulation an den Mini-Implantaten durch die Zunge oder die Finger kann zu einer verminderten Stabilität der Schrauben und zur Lockerung führen und sollte daher unbedingt vermieden werden.

Im Anschluss an die Insertion der Mini-Implantate und das Setzen der Molarenbänder mit Palatinalschlössern erfolgt die Abdrucknahme für die Apparatur mit Alginat oder Silikon unter Zuhilfenahme von Abdruckkappen und Transfersystem. Der Laborprozess wurde bereits in einer anderen Ausgabe von „Sehen und verstehen – KFO im Video“ vorgestellt [9].

 
  • Literatur

  • 1 Wilmes B, Drescher D. Application and effectiveness of the Beneslider: a device to move molars distally. World J Orthod 2010; Winter 11: 331-340
  • 2 Pauls A, Nienkemper M, Drescher D. Genauigkeit drehmomentlimitierender Instrumente bei der Insertion von Mini-Implantaten – Eine in vitro-Studie. Fortschritte der Kieferorthopädie. J Orofac Orthop 2013; 74: 124-136
  • 3 Ludwig B, Glasl T, Bowman J. et al. Anatomical Guidelines for Miniscrew Insertion: Palatal Sites. J Clin Orthod 2011; 45: 433-441
  • 4 Nienkemper M, Wilmes B, Pauls A. et al. Impact of mini-implant length on stability at the initial healing period: A controlled clinical study. Head Face Med 2013; 9: 30
  • 5 Nienkemper M, Pauls A, Ludwig B. et al. Stability of paramedian inserted palatal mini-implants at the initial healing period: A controlled clinical study. Clin Oral Implants Res 2015; Aug 26 (8): 870-875
  • 6 Büchter A, Wiechmann D, Koerdt S. et al. Load-related implant reaction of mini-implants used for orthodontic anchorage. Clinical Oral Implants Research 2005; 16: 473-479
  • 7 Baumgaertel S. Predrilling of the implant site: Is it necessary for orthodontic mini-implants?. Am J Orthod Dentofacial Orthop 2010; 137: 825-829
  • 8 Wilmes B, Rademacher C, Olthoff G. et al. Parameters affecting primary stability of orthodontic mini-implants. J Orofac Orthop 2006; 67: 162-174
  • 9 Nienkemper M, Pauls A, Wilmes B. et al. Sehen und verstehen – KFO im Video – Der Beneslider. Inf Orthod Kieferorthop 2017; 49: 234-236