Gesundheitswesen 2019; 81(11): 919-925
DOI: 10.1055/a-0795-3319
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Der kalkulatorische Arztlohn im EBM: ein normativer Parameter zur Honorierung vertragsärztlicher Tätigkeit

The Calculated Physician’s Fee in the Doctor’s Fee Scale (EBM): A Normative Parameter for Medical Doctors in the Outpatient Sector
Marly Schwendler
1   Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement, Greifswald, Universität Greifswald, Germany
,
Steffen Fleßa
1   Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Gesundheitsmanagement, Greifswald, Universität Greifswald, Germany
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Publication Date:
04 January 2019 (online)

Zusammenfassung

In der gesundheitspolitischen Debatte um den EBM stellen Kalkulationsmethodik und Wert (105 571,80 €) des „kalkulatorischen Arztlohns“ Diskussionsschwerpunkte dar. Der „kalkulatorische Arztlohn“ ist das fiktive Bruttogehalt, das ein niedergelassener Arzt erzielen könnte, wenn er statt der Freiberuflichkeit ein Angestelltenverhältnis wählte (Opportunitätsprinzip). Um seine Bedeutung für die realen Arzthonorare zu ermitteln, wird der Bruttominutenlohn eines niedergelassenen Arztes unterschiedlich analysiert: Variante 1) Opportunitätsprinzip: Der Bruttominutenlohn beträgt 0,90 €. Basis ist das Oberarztgehalt zzgl. der im „kalkulatorischen Arztlohn“ enthaltenen Zuschläge (18,66% für unternehmerische Tätigkeit, 27,50% für Mehrarbeitszeit). Variante 2) Empirische Werte: Der Bruttominutenlohn im ambulanten Sektor beträgt 1,13 € und, auf GKV-Niveau bereinigt, 0,94 €. Für den stationären Sektor werden 0,93 € errechnet.

Schlussfolgerung Der Wert des „kalkulatorischen Arztlohns“ sollte angesichts der einkalkulierten Mehrarbeitszeit angehoben werden. Die Berücksichtigung des Oberarztgehaltes als Opportunitätskosten der Niederlassung erscheint gerecht aber die Bruttominutenlöhne der niedergelassenen Ärzte sind nur durch die Leistungserbringung außerhalb des EBM finanziell attraktiv. Ebenfalls übt die jährliche Anpassung des Orientierungswertes Einfluss auf die Jahresüberschüsse der niedergelassenen Ärzte aus. Die Weiterentwicklung der Kalkulationsmethode des EBM ist komplex, bietet aber die Chance dem regionalen Mangel in der ambulanten Versorgung entgegenzuwirken.

Abstract

The “calculated physicianʼs fee” is important part of the ongoing discussion on health policies and the Doctorʼs fee scale (EBM). It is the fictional gross fee that a community doctor can receive when he selects employee relationship instead of being freelance. In order to determine the significance for real physician fees, the gross fees per minute for a community physician have been analysed in different ways: Version 1) Opportunity principle: The gross fee per minute is € 0.90. The basis is the senior physician salary plus the supplement shown in the “calculated physician’s fee” (18.66% for entrepreneurial activity, 27.50% for additional work time). Version 2) Empirical value: The gross fee per minute in the outpatient sector is € 1.13 and, net of GKV, € 0.94. The fee for the calculated hospital sector is € 0.93.

Conclusion The value of the “calculated physician's fee” should be raised in accordance with the extra time worked. Considering senior physician’s salary as an opportunity cost for community physicians appears to be correct, but the gross fees per minute for community doctors are only financially attractive when one provides services outside of the EBM. Also, the yearly adjustment of the benchmark influences the profits of community physicians. Further developments in calculating the EBM are complex, but provide an opportunity to counteract regional gaps in outpatient care.

 
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