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DOI: 10.1055/a-0792-0360
Wie sicher sind Psychopharmaka während der Stillzeit?
Publication History
Publication Date:
04 January 2019 (online)
Zusammenfassung der Studie
Die meisten Psychopharmaka gehen in die Muttermilch über. Bei vielen psychisch kranken Frauen ist allerdings auch während der Stillzeit ein Fortführen der Medikation unverzichtbar. Drohen bei den exponierten Kindern langfristige Entwicklungsdefizite? Dieser Frage sind israelische Wissenschaftler im Rahmen einer prospektiven Kohortenstudie nachgegangen.
Sie haben die Entwicklung von 280 Kindern, deren Mütter während der Stillzeit mit Psychopharmaka behandelt worden waren, analysiert. Frauen mit mehr als einem psychotropen Wirkstoff gingen nicht in die Studie ein. Das Vergleichskollektiv bildeten 152 Kinder von Müttern, die während der Stillzeit über höchstens 10 Tage ein als sicher geltendes Antibiotikum eingenommen hatten. Alle Mütter hatten zwischen 2011 und 2015 den telefonischen Service des Drug Consultation Center am Assaf Harofeh Medical Center mit der Frage der Sicherheit der Medikation in Anspruch genommen. Diese von Pharmazeuten und Ärzten geleitete Einrichtung berät Schwangere und stillende Frauen sowie Gesundheitsdienstleister bezüglich des fetalen bzw. kindlichen Risikos bei Exposition gegenüber Arzneimitteln und Nahrungsergänzungsmitteln und informiert über unerwünschte Nebenwirkungen, Wechselwirkungen sowie Dosierungen. Jährlich werden von der Servicestelle mehr als 8000 telefonische Anfragen bearbeitet. Bereits beim telefonischen Erstkontakt erfassten die Wissenschaftler demografische und medizinische Basisinformationen von Mutter und Kind. Innerhalb der ersten 5 Lebensjahre des Kindes kontaktierten sie die Mütter erneut und erhoben mithilfe eines strukturierten Fragebogens detaillierte Informationen zur Indikation, Dosierung und Dauer der Medikation, zum Stillverhalten bzw. zur Zufütterung sowie zu Auffälligkeiten des Kindes während der Pharmakotherapie (z. B. Hautausschlag, Unruhe, Schläfrigkeit). Ferner analysierten sie die körperliche (Größe, Gewicht, Kopfumfang) sowie – anhand der Meilensteine der Denver Development Scale – die motorische Entwicklung der Kinder.
Ergebnisse
Der Follow-up-Kontakt erfolgte bei den mit Psychopharmaka behandelten Müttern im Durchschnitt nach 32 und bei den mit Antibiotika behandelten Müttern nach 35 Monaten. Die Kinder waren zu diesem Zeitpunkt durchschnittlich 20 bzw. 36 Monate alt (p < 0,001). Der häufigste Verschreibungsgrund für die psychotropen Medikamente waren Depressionen und Angststörungen. 69 % der Mütter nahmen selektive Serotonin-Wiederaufnahme-Inhibitoren und 13 % Benzodiazepine ein. In der Antibiotika-Gruppe wurden am häufigsten Metronidazol, neue Makrolide und Chinolone eingenommen. Schwangerschaftskomplikationen traten in beiden Studiengruppen ähnlich häufig auf. Fetale Stresssituationen und neonatale Komplikationen beobachteten die Forscher dagegen signifikant häufiger bei den gegenüber Psychopharmaka exponierten Kindern. Bezüglich der Größen-, Gewichts-, Kopfumfangsperzentilen sowie des Verhältnisses von Körpergewicht zu -länge unterschieden sich die Kinder beider Kollektive nicht. Gemäß den Aussagen der Eltern beider Gruppen entwickelten sich alle Kinder motorisch regelrecht. Ein signifikanter Zusammenhang zwischen der psychotropen Medikation während der Stillzeit und dem Risiko für unerwünschte Nebenwirkungen beim Kind bestand nicht. Die Analyse von jeweils 120 Mutter-Kind-Paaren mittels Propensity-Score-Matching ergab ebenfalls keinen Anhalt für körperliche und motorische Entwicklungsunterschiede der Kinder beider Gruppen. Lediglich die Nebenwirkung „Schläfrigkeit“ wurde bei den gegenüber Psychopharmaka exponierten Kindern signifikant häufiger beobachtet.
Die Ergebnisse der telefonischen Befragung lassen darauf schließen, so das Fazit der Autoren, dass sich Kinder, deren Mütter während der Stillzeit psychotrope Wirkstoffe einnehmen, sowohl bezüglich des Wachstums als auch bezüglich der Motorik völlig normal entwickeln. Die beobachtete vermehrte Schläfrigkeit der Kinder sei selbstlimitierend und wirke sich nicht ungünstig auf ihre Entwicklung aus. Größere Studien seien jedoch notwendig, um diese Ergebnisse zu überprüfen.
Dr. med. Judith Lorenz, Künzell
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Quelle
ZGN - Zeitschrift für Geburtshilfe und Neonatologie 2018; 222(04): 138-139. doi:10.1055/a-0643-9298
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