PiD - Psychotherapie im Dialog 2019; 20(03): 1
DOI: 10.1055/a-0771-7946
Editorial
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

Michael Broda
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Publication Date:
03 September 2019 (online)

Die Eigenliebe läßt uns sowohl uns’re Tugenden als uns’re Fehler viel bedeutender, als sie sind, erscheinen.

Johann Wolfgang von Goethe

mittags, in einem sonnigen Straßencafé auf der Insel Burano: Nach einem Rundgang durch die bunten Häuserzeilen mit vielen kleinen Läden, Restaurants und Touristenramsch erholen wir uns bei einem Cappuccino und beobachten dabei, wie immer wieder junge Menschen vor einzelnen pittoresken Häusern und farbigen Haustüren gestylt, farblich abgestimmt und in Posen Bilder von sich machen lassen oder, mit Selfie-Stick, sich selbst fotografieren. Wir reagieren zunächst interessiert, dann amüsiert. Nach der gefühlt fünfzigsten Szene frage ich mich: Ist das eine nachvollziehbare Selbstinszenierung? Bewundern irgendwelche Follower auf irgendwelchen Accounts die DarstellerInnen, denen ja eigentlich die Atmosphäre des Orts, der Blick für die Einheimischen oder die Einzigartigkeit des Moments verschlossen bleiben muss?

Unser Heft versucht Antworten auf die Fragen zu finden, ab wann Narzissmus krankheitswertig ist und ob dies der Narzissmus ist, der uns gesellschaftlich in allen, vor allem sozialen Medien begegnet.

Lassen Sie sich einladen, in diese Überlegungen mit einzutauchen, um dieses gesellschaftlich zum Modebegriff avancierte Konzept zu differenzieren und auf den klinisch relevanten Teil zu begrenzen.

Und lassen Sie sich, im Rückblick auf Ihren hoffentlich erholsamen Urlaub, versichern: Nicht jedes Selfie ist ein Hinweis auf eine zugrundeliegende Pathologie!

Ich wünsche Ihnen eine gewinnbringende Lektüre,

Ihr
Michael Broda