Transfusionsmedizin 2018; 8(04): 219
DOI: 10.1055/a-0748-6190
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Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

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Publication Date:
15 November 2018 (online)

Die Nierentransplantation ist die Therapie der Wahl bei Patienten mit terminaler Niereninsuffizienz, da sie im Vergleich zu chronischer Dialyse mit einer deutlich besseren Lebenserwartung und Lebensqualität assoziiert ist. Schwierig wird es, wenn das Immunsystem des Patienten bereits vor der Transplantation vorbestehende Antikörper auf HLA-Merkmale des Spenders (donorspezifische Antikörper, DSA) aufweist, z. B. durch Schwangerschaften, Bluttransfusionen oder vorangegangene Transplantationen. Zell- und antikörpervermittelte Rejektionen lassen sich dann kaum verhindern, da die entsprechenden Immunzellen und Antikörper nicht erst gebildet werden müssen, sondern schon präformiert im Blut vorhanden sind. Diese Hochrisikopatienten müssen sich daher einige Wochen vor Transplantation einer komplexen Induktionstherapie mit Immunadsorption zur Entfernung der DSA unterziehen, gefolgt von der Gabe des monoklonalen B-Zell-Antikörpers Rituximab zur Blockade der Antikörperneubildung.

HLA-Antikörper werden seit einigen Jahren durch sehr sensitive Festphasenassays wie die Luminex-Technologie nachgewiesen: HLA-Antigene werden auf Mikropartikeln fixiert und die Bindung von Antikörpern aus dem Organempfängerserum wird über Fluoreszenzsignale nachgewiesen [1]. Eine semiquantitative Abschätzung der Antikörperkonzentration erfolgt mit der Angabe der mittleren Fluoreszenzintensität (Mean Fluorescence Intensity [MFI]). Nun zeigte sich in früheren Studien, dass der MFI-Wert nicht ohne Weiteres als prognostischer Parameter herangezogen werden kann, da er durch Inhibitoren im Patientenserum beeinflusst wird und bei sehr hohen HLA-Antikörper-Titern die HLA-Antigene auf den Mikropartikeln gesättigt werden und somit keine quantitative Aussage mehr möglich ist [2], [3]. Die vorliegende Studie zeigt nun überzeugend, dass durch Antikörpertitration eine bessere quantitative Aussage über die Stärke der Antikörper im Patientenserum möglich ist und diese Messmethode eine Aussage über die Wirksamkeit einer Desensibilisierungstherapie vor Nierentransplantation erlaubt. Auch ermöglicht dieses Verfahren abzuschätzen, wie oft eine Immunadsorption oder Plasmapherese vor Transplantation durchgeführt werden muss, um einen akzeptablen DSA-Titer zu erreichen bzw. von vornherein Patienten von diesem aufwendigen Verfahren auszuschließen, bei denen eine Desensibilisierung wegen zu hoher DSA-Titer aussichtslos ist. Konkret konnte gezeigt werden, dass Patienten, die initial einen Antikörpertiter > 1 : 512 aufwiesen, nicht auf einen Antikörpertiter von < 1 : 16 gebracht werden konnten, der in der Regel mit einem negativen Lymphozyten-Crossmatch assoziiert ist. Diese Studie ist relevant, da mit dieser neuen Methode der Antikörpertitration genauer als mit der konventionellen MFI-Methode diejenigen Patienten identifiziert werden können, bei denen eine Antikörperentfernung mit einem extrakorporalen Verfahren (Immunadsorption oder Plasmapherese) erfolgversprechend ist, und die Effektivität des extrakorporalen Verfahrens besser beurteilt werden kann. Einschränkend ist anzumerken, dass es sich um eine retrospektive Studie an einem relativ kleinen Patientenkollektiv (n = 38) handelte. Die Ergebnisse müssen daher in einer größeren prospektiven Studie validiert werden, bevor die DSA-Titration als Routineverfahren allgemein empfohlen werden kann.

 
  • Literatur

  • 1 Konvalinka A, Tinckam K. Utility of HLA antibody testing in kidney transplantation. J Am Soc Nephrol 2015; 26: 1489-1502
  • 2 Visentin J, Vigata M, Daburon S. et al. Deciphering complement interference in anti-human leukocyte antigen antibody detection with flow beads assays. Transplantation 2014; 98: 625-631
  • 3 Tambur AR, Wiebe C. HLA diagnostics: Evaluating DSA strength by titration. Transplantation 2018; 102 (Suppl. 01) S23-S30