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DOI: 10.1055/a-0748-2987
Wo ein Wille ist, ist auch ein Spahn
Publikationsverlauf
Publikationsdatum:
06. Dezember 2018 (online)
Am 27. Oktober 1998 leistete die Grünen-Politikerin Andrea Fischer den Amtseid. Am 9. Januar 2001 erklärte die erste grüne Bundesgesundheitsministerin ihren Rücktritt. Ihr verdanken wir das GKV-Solidaritätsstärkungsgesetz. Sie zog die Budgetierung, insbesondere der kassenärztlichen Leistungen, noch straffer an und erntete Protest und Widerstand und warf letztendlich das Handtuch. Die BSE-Krise war daran sicherlich auch nicht ganz unschuldig. Die gelernte Offsetdruckerin und studierte Betriebswirtin galt als engagierte, aber glücklose Ministerin.
Es folgte Ulla Schmidt von der SPD. Sie schaffte die Arzneimittelbudgets, führte die legendäre Praxisgebühr ein, ließ Unruhe und Unverständnis aufkommen und wurde sogar von der Kanzlerin zurückgepfiffen. Wäre sie nur Sonderschulpädagogin geblieben.
Dann ein scheinbar kleiner Lichtblick: 2009. Dr. Philipp Rösler – ein Arzt, ein richtiger Arzt wird Gesundheitsminister. Endlich einer, der was vom Fach verstehen sollte. 2011 sollte das Jahr der Gesundheitsreform werden. Aber zu früh gefreut. Der FDP-Politiker jonglierte mit den von uns und dem Arbeitgeber zu zahlenden Krankenkassenbeiträgen ein bisschen rum und brachte die Arzneimittelnutzungsbewertungsordnung, die ja heute noch Bestand hat, auf den Weg. Seine Gesundheitsministerkarriere begann mit dem vielversprechenden Satz: „Wenn es mir nicht gelingt, ein vernünftiges Gesundheitssystem auf den Weg zu bringen, dann will mich keiner mehr als Gesundheitsminister haben.“ Und 2011 war es dann so weit und der Spaß vorbei. Herr Rösler machte dann noch zwei Jahre in Wirtschaft und Technologie, war kurz Vizekanzler und verschwand in der Versenkung. Bei Wikipedia ist vom „ehemaligen Politiker“ zu lesen. Derzeit leitet er die gemeinnützige Stiftung eines chinesischen Konzerns, sein erstes Projekt heißt „Global Empowerment Initiative“ und soll Bildung, Unternehmertum und Gesundheit fördern – na ja, vielleicht kann er da ja etwas bewegen.
„Man soll die Ämter mit Leuten, nicht die Leute mit Ämtern versehen.“
(Sprichwort)
Dann der nächste junge, dynamische FDP-Politiker, der es im Gesundheitswesen richten sollte: Daniel Bahr. Auch bekannt geworden durch den „Pflege-Bahr“ und damit die Einführung der staatlich geförderten Pflegeversicherung. Nach seiner Ministerkarriere ist er übrigens ein bisschen dem Thema treu geblieben und arbeitet nun als Manager bei der Allianz Krankenversicherung. Ich gehe davon aus, dass die größte Gemeinsamkeit von Herrn Rösler und Herrn Bahr der gleiche Schneider war. Smart waren wenigstens beide, zumindest optisch, wie im Übrigen alle FDP-Politiker. Jedenfalls aus meiner Sicht.
Über den Nachfolger von Herrn Bahr möchte ich nichts weiter schreiben. Ich habe selten einen derart wenig inspirierenden, farblosen, nichtssagenden und schnell vergessenen Politiker, der sich um unsere Belange kümmern sollte, erlebt wie Hermann Gröhe von der CDU. Dabei hat er sich fünf Jahre im Amt gehalten. Vielleicht auch gerade deswegen. Ich glaube, er hat die Praxisgebühr wieder abgeschafft. Aber sonst fällt mir nicht viel ein.
Aber jetzt haben wir ja Jens Spahn, wieder von der CDU. Ein neuer Hoffnungsschimmer am Gesundheitswesenhimmel. Gut, er ist kein Arzt – hat ja, wie oben beschrieben, auch nicht viel gebracht – oder gelernter Krankenpfleger – das wäre ja dann fast ein bisschen zu viel verlangt. Er ist Bankkaufmann und studierter Politikwissenschaftler. Ersteres lässt auf guten Umgang mit Zahlen hoffen und Letzteres ist für eine berufspolitische Karriere auch nicht gerade herausgeschmissenes Geld. Und er hat sich in seiner jungen Politikerlaufbahn in diversen Ausschüssen und Arbeitsgruppen mit dem Thema Gesundheitspolitik befasst. Was wiederum schon mal mehr ist, als ich als wahlberechtigter Bürger offensichtlich erwarten darf oder kann.
Dann dieser Start in dieses Amt! Kaum ein Tag verging zu Beginn der Amtszeit ohne neue Schlagzeile. Vielleicht zu Anfang ein bisschen holperig, mit der Bemerkung um Hartz IV und Armut. Aber schließlich ist er offensichtlich durchgestartet und hat mal kurz überschlagen, wie viele Pflegekräfte eigentlich fehlen. Wie er auf die zu Anfang 8.000 und später 13.000 fehlenden Pflegekräfte kam, hat sich mir nie wirklich erschlossen, aber immerhin hat es mal jemand gewagt, Zahlen zu nennen.
Als Nächstes folgte das „Pflegepersonal-Stärkungsgesetz“. Endlich hat sich ein Mann durchgerungen, ein Thema anzusprechen, das wir und auch ich als langjährige Krankenschwester ständig und auch die Medien hoch und runter beschrieben und besprochen haben – die dünne Personaldecke im Verhältnis zu den Belegungszahlen auf den einzelnen Stationen. Ich bin gespannt wie lange nicht mehr, welche Zahlen dann erhoben werden. Wie viele Patienten eine Pflegekraft betreuen kann und darf und dabei allem und allen gerecht werden soll. Ich habe mich schon bei meiner PDL erkundigt, ob sie sich vor dem Ergebnis fürchtet. Nein! Ich aber hoffe sehr, dass sich da jetzt einiges tut und nicht mehr eine Pflegekraft im Nachtdienst 30 Patienten und mehr betreuen muss. Mich würde so ein Entscheidungsprozedere auch mal sehr interessieren. Wer entscheidet auf welcher Grundlage, welches Arbeitspensum angemessen ist? Dann sollen ja die Kosten der Umsetzung des Pflegepersonal-Stärkungsgesetzes auf die Krankenkassen umgeschlagen werden. Hat man diese Rechnung auch mit den Verantwortlichen der Krankenkassen gemacht? Wirkt sich das auf unsere Krankenkassenbeiträge aus? (Dumme Frage!)
Wie auch immer. Ich habe gelesen, dass Gesundheitspolitik als Verliererthema angesehen wird. Ich gehe aber dennoch davon aus, dass wir noch so einiges von Herrn Spahn hören oder lesen werden. Gilt er doch in der Politikszene als sehr fleißig und ambitioniert, mit Blick auf eine künftige Kanzlerschaft. Ich hoffe, dass ich in meinen verbleibenden Berufsjahren noch ein oder zwei positive Ergebnisse erleben kann. Dass Herr Spahn seinen Worten tatsächlich Taten folgen lässt und vor allen Dingen, dass er mindestens diese Legislaturperiode durchhält und nicht so glücklos endet wie seine vielen Vorgänger/innen.
Sonst hätte ich ja auch schreiben können: „Wo gehobelt wird, fällt ein Spahn!“ Und das wollen wir ja alle nicht!
In diesem Sinne, Ihre
Heidi Günther
hguenther@schoen-kliniken.de