JuKiP - Ihr Fachmagazin für Gesundheits- und Kinderkrankenpflege 2018; 07(05): 182-183
DOI: 10.1055/a-0653-6561
Kolumne
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Mein ganz persönlicher Wahnsinn

Heidi Günther
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Publication Date:
05 October 2018 (online)

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(Quelle: Paavo Blåfield)

Mit dieser Kolumne ist alles ganz anders. Eigentlich suche ich mir immer ein Thema, recherchiere ein bisschen im Internet und sehe zu, dass ich einen Bezug zu unserer Arbeit finde. Dieses Mal hätte es die geplante Reform der Ausbildung in der Pflege sein können oder das Dilemma unserer Regierung, angezettelt durch den Streit der Schwesterparteien CDU/CSU und das Benehmen unserer Abgeordneten im Bundestag oder das bevorstehende Zertifizierungsaudit oder einfach eine Urlaubskolumne.

Aber dieses Mal nicht, denn die Recherche muss leider ausfallen. Genauso wie seit mehr als fünf Wochen mein Internetzugang und Festnetztelefon von zu Hause einfach mal ausgefallen ist. Niemand soll denken, dass ich nun seit fünf Wochen zu Hause vor dem Computer sitze und darauf warte, dass sich die Anzeige über den WLAN-Empfang wieder aufbaut. Nein, ich habe mir in dieser Zeit heftige Auseinandersetzungen mit den Serviceleuten meines Anbieters geliefert. Ich habe alle Register gezogen. Von freundlich und verständnisvoll bis aufbrausend und drohend. Mir ist durchaus klar, dass die mal mit asiatischem, dann mal mit russischem Akzent sprechenden – einmal war am anderen Ende eine Holländerin, wie sie mir selbst erzählte – Menschen am allerwenigsten für mein Dilemma können. Aber sie waren nun mal da und ich musste meinen Unmut loswerden. Und bevor jemand nachfragt, wie es meine Mutter tat: Ich habe meine Rechnungen immer bezahlt!

Als ich merkte, dass diese Telefonate mich nicht weiterbringen, habe ich einen Brief an diese Firma geschrieben, und – oh, Wunder – es kam Bewegung in die Sache. Ich erhielt einen neuen Router und am 5. Juni einen Brief, in dem mir angekündigt wurde, dass am 15. Juni mein neuer Vollanschluss, der „Super DSL Star Flat XL“ angeschlossen und freigeschaltet wird und mir dann ab sofort, versteht sich von selbst, zu der tarifbedingten Grundgebühr zur Verfügung steht. Ich brauchte nichts weiter zu tun, als den mir zugesandten Router anzuschließen, meine Klingel zu markieren, sicherzustellen, dass der Hausverteiler für die Telekommunikationsleitung zugängig ist und ich mich selbst von 8–12 Uhr in der Wohnung aufhalte. So weit, so gut. Ich habe den Router angeschlossen, geschaut, ob der Hausverteiler zugängig ist, und – jetzt kommt der Bezug zu meiner Arbeit! – habe mir einen Kollegen gesucht, der an einem Freitag, in der Urlaubszeit, bei super Sommerwetter, statt frei zu haben meinen Frühdienst übernimmt. Die Freude des Kollegen hielt sich etwas in Grenzen. Aber meine Not war groß. Zumal in dem Anschreiben auch und fettgedruckt zu lesen war, dass ein weiterer Installationstermin für mich mit zusätzlichen Kosten von 40 Euro belegt werden würde. Auf das Markieren meiner Klingel habe ich verzichtet. Ich wusste nicht genau, was ich darunter verstehen soll. Vielleicht ein Willkommensbanner für den Servicetechniker, kleine Wimpel, Blumen oder Konfettiregen. Ich ging davon aus, dass mein Name ausreichend ist. Aber offensichtlich weit gefehlt.

Jedenfalls saß ich sehr pünktlich und frohgemut in meiner Wohnung und wartete in stiller Vorfreude, dass das Elend nun endlich ein Ende hätte. Und, was soll ich sagen, nichts passierte. Niemand kam. Mit dem Handy habe ich immer wieder mal mich selbst angerufen. Immer in der Hoffnung, dass wie durch Geisterhand meine „Super DSL Star Flat XL“-Leitung in Betrieb ist. Auch meine Hündin saß mit flehendem Blick vor mir und hat die Welt nicht verstanden. Super Wetter und wir hocken in der Wohnung. Ich habe beschwichtigend auf sie eingeredet und mich und sie damit bei Laune gehalten, dass ich immer wieder optimistisch versprochen habe, dass wir gleich gehen werden.

Um 12.30 Uhr habe ich dann wieder mal die Servicenummer, die ich mit der Zeit auswendig kannte, angerufen, um mal freundlich anzufragen, wie die Dinge denn so stehen. Ich wurde um Geduld gebeten und sollte noch warten. Um 16 Uhr wurde mir versichert, dass das schon noch werden würde. Meine Hündin wurde schon ungnädig und ich langsam, aber sicher stinksauer. Um es kurz zu machen: Um 17 Uhr war ich dann recht ungehalten und habe aus meiner Stimmung auch keinen Hehl gemacht, und ab 18 Uhr war die Servicenummer nicht mehr besetzt.

„Der Alltag der meisten Menschen ist ein stilles Heldentum in Raten“

Anna Magnani (1908–1973), italienische Filmschauspielerin

Der Tag war für mich gelaufen. Meine Laune auf dem Nullpunkt. Ich war wütend wie lange nicht und habe mich bei einem langen Spaziergang mit meinem Vierbeiner erst einmal beruhigen müssen. Ich redete mir seitdem ein, dass wir früher – ich komme ja aus der ehemaligen DDR – nicht einmal ein Telefon, geschweige denn Internet hatten und auch nicht gestorben sind. Immerhin habe ich ja noch mein Handy und bin nicht ganz so ausgegrenzt.

Was nun? Jetzt, wo ich mich wieder beruhigt habe, werde ich den neuen Router wieder einpacken und zurückschicken. Dann einen Brandbrief an diese Firma schicken und ungeachtet der Kündigungsfristen den Vertrag aufheben, die Einzugsermächtigung von meinen Konto annullieren und gleich die Grundgebühren des letzten Monats, die sie unglaublicherweise trotzdem abgebucht haben, zurückbuchen lassen – und mir einen neuen Anbieter suchen. Diese Kolumne werde ich auf einen USB-Stick ziehen und morgen von Station aus abschicken. Und schon habe ich wieder alles im Griff.

Auf Station bemühen wir uns ständig, gute Arbeit abzuliefern. Die Patienten haben verschiedene Möglichkeiten, ihre guten und auch schlechten Eindrücke zu ihrem stationären Aufenthalt zu äußern. In einem aufwendigen Beschwerdemanagement werden die weniger guten Eindrücke mit großer Transparenz bearbeitet und die Ergebnisse auch dem unzufriedenen Patienten mitgeteilt.

Aber nach diesem Erlebnis mit dieser Telekommunikationsfirma relativieren sich so einige „Beschwerden“ unserer Patienten beträchtlich.

Ach, übrigens, der Werbeslogan dieses Unternehmens ist „The world goes prima“. Na, da haben die Werbefachleute aber ein bisschen übers Ziel hinausgeschossen!

In diesem Sinne

Ihre
Heidi Günther
hguenther@schoen-kliniken.de