Gesundheitswesen 2019; 81(12): 1004-1010
DOI: 10.1055/a-0638-8172
Originalarbeit
© Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Die Umsetzung des Präventionsgesetzes auf Länderebene: Eine Analyse der Landesrahmenvereinbarungen

Implementation of the Preventive Health Care Act at the Level of The Federal States: An Analysis of the Framework Agreements
Katharina Böhm
1   Juniorprofessur für Gesundheitspolitik, Ruhr-Universität Bochum Fakultät fur Sozialwissenschaft, Bochum
,
Dorothea Klinnert
2   Institut für Politikwissenschaft, Johannes Gutenberg Universität, Mainz
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Publication Date:
28 June 2018 (online)

Zusammenfassung

Hintergrund 2015 wurde in Deutschland erstmals ein Präventionsgesetz verabschiedet. Zur Umsetzung auf Länderebene werden Landesrahmenvereinbarungen (LRVen) zwischen den Sozialversicherungsträgern und den zuständigen Landesministerien getroffen.

Ziel der Arbeit Der Beitrag gibt einen Überblick über die 15 bislang abgeschlossenen LRVen und arbeitet Unterschiede und Gemeinsamkeiten zwischen den Ländern heraus.

Methode Die LRVen wurden einer qualitativen Inhaltsanalyse unterzogen. Hierfür wurden zunächst für jeden Paragraphen Abweichungen von der von den Sozialversicherungsträgern auf Bundesebene konsentierten Mustervorlage festgestellt. In einem zweiten Schritt wurden die Abweichungen einander paragraphenweise gegenübergestellt und Unterkategorien gebildet. Anschließend wurden die Inhalte der Kategorien entsprechend ihrer Merkmalsausprägungen kodiert. Für diesen Beitrag wurden 4 Kategorien ausgewählt: Ziele und Handlungsfelder, Gremien und Regelungsstrukturen, Vorgaben zur Kooperation, sowie Zusammenarbeit mit weiteren Akteuren.

Ergebnisse In einigen LRVen werden über die Ziele der Bundesrahmenempfehlungen hinaus ergänzend landesspezifische Ziele formuliert. Ein Zieleplanungsprozess findet teils innerhalb der LRV-Gremien, teils in breiter angelegten Prozessen statt. Mit 2 Ausnahmen schaffen die LRVen in allen Ländern neue Regelungsstrukturen, welche sich jedoch in ihrer Interaktionsorientierung unterscheiden: in 4 Ländern sind dialogorientierte, in 3 Ländern abstimmungsorientierte und in 7 Ländern entscheidungsorientierte Gremien bzw. Foren in der LRV verankert. Die Vorgaben zur Koordinierung sind in den meisten LRVen weitgehend unverbindlich. Auch die Zusammenarbeit mit dem ÖGD und weiteren relevanten Akteuren wird zumeist nicht oder nur unverbindlich geregelt.

Schlussfolgerungen Die meisten LRVen sind sehr allgemein und wenig verbindlich formuliert; sie definieren lediglich den Rahmen, den es nun auszufüllen gilt. Eine Evaluation der Umsetzung wird daher erst in ein paar Jahren möglich sein.

Abstract

Background The implementation of the Preventive Health Care Act 2015 requires framework agreements between social insurances and ministries on the state level (Länder).

Goals This article analyses the 15 agreements already concluded and provides an overview of similarities and differences between states.

Methods We conducted a qualitative content analysis for all 15 agreements. In a first step, we compared the agreements with the model agreement that had informed the negotiations in all states, and identified for each paragraph of the agreement divergent content. In a second step, we compared the divergent content and built subcategories. Third, we classified similarities and differences of each category. For this article, we selected 4 categories: goals and fields of action, committees and regulatory structures, cooperation requirements, cooperation with further actors.

Results All agreements refer to the nationally agreed health goals, some define further, state-specific goals. Furthermore, the agreements provide regulations regarding the goal definition process: some processes only include the subscribers of the agreement, while others involve all relevant stakeholders. New regulatory structures are created in almost all states, but their institutional design and mode of interaction vary highly between state. In 4 states the new structures aim at establishing a dialogue, in 3 states, the goal is to enable coordination, and in 7 states decision-making bodies are set up. Almost all agreements are missing concrete commitments regarding cooperation with other relevant actors on state and local level.

Conclusion Most agreements are very general and their binding character is low. The agreements merely set the framework that now needs to be filled. Hence, evaluating the actual implementation of the agreements will only be possible in a few years.

 
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