Zahnmedizin up2date 2018; 12(04): 279-280
DOI: 10.1055/a-0630-8491
Editorial
Georg Thieme Verlag KG Stuttgart · New York

Zahnerhalt oder besser Implantat?

Roland Weiger
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Publikationsverlauf

Publikationsdatum:
30. Juli 2018 (online)

… eine zugegebenermaßen schwierige Frage! Liest man die Statistiken zur Häufigkeit durchgeführter implantologischer Maßnahmen oder die Umsatzzahlen namhafter Implantathersteller, so gewinnt man als Zahnerhalter den Eindruck, dass das dentale Implantat unweigerlich auf dem Vormarsch ist. Man fragt sich, wer eigentlich noch für den Zahnerhalt eintritt. Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Das Implantat ist für viele, vor allem teil- oder unbezahnte Patienten ein Segen im Hinblick auf eine festsitzende prothetische Versorgung. Unzweifelhaft ist ein Implantat vor Pulpitis, Wurzelkaries oder gar Längsfraktur gefeit, hingegen sind die periimplantären Gewebe durchaus anfällig gegenüber heimtückischen Erkrankungen wie der häufiger vorkommenden Periimplantitis. Darüber hinaus fällt bei der Lektüre einschlägiger Fachbeiträge oder bei manchen Vorträgen zu den Möglichkeiten in der Implantologie nicht selten auf, dass der Vorgänger – nämlich der eigene Zahn – aus nicht oder schwerlich nachvollziehbaren Gründen plötzlich fehlt. Warum eigentlich – war das notwendig oder sinnvoll? Gerne wird dann mit den hohen Überlebensraten von Implantaten argumentiert, die allerdings technische oder biologische Komplikationen (z. B. Periimplantitis) oftmals nicht berücksichtigen. Unter diesem Blickwinkel sind im Übrigen die sogenannten Überlebenschancen eines Zahnes mit apikaler Läsion – endodontisch suffizient behandelt oder nicht – oder auch mit fortgeschrittener marginaler Parodontitis nicht ungünstiger. Hinzu kommt, dass im sichtbaren ästhetischen Frontzahnbereich die langfristige Wiederherstellung der mukogingivalen Architektur mittels Implantatversorgung eine hohe Kunst ist. Auch wenn der eigene Zahn nur mit aufwendigen Maßnahmen erhalten werden kann, so besitzt er als wesentlichen Vorteil einen eigenen parodontalen Faserapparat, der die Gingiva an Ort und Stelle hält und – im Gegensatz zu einem Implantat – mit dem Kiefer und den Nachbarzähnen „mitwächst“. Letzteres ist ein relevanter Faktor bei jüngeren Patienten, deren Kieferwachstum bis ins vierte Lebensjahrzehnt langsam fortschreiten kann. Selbst wenn dieser möglicherweise aufwendig restaurierte Zahn nur eine begrenzte Zeit im Mund verbleiben würde, so hat man doch Zeit gewonnen – vor dem Hintergrund der bekannt langen Lebenserwartung ein therapeutisches Ziel.