retten! 2019; 8(03): 221-224
DOI: 10.1055/a-0629-8760
Mein Einsatz
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Hyperkaliämie: Mit Kammerflimmern in die Notaufnahme

Bettina Heberer
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Publication Date:
03 July 2019 (online)

Eine Einsatzmeldung geht über die Leitstelle bei der Rettungswache in Ludwigsburg ein. Ein Patient mit unklaren Symptomen hat den Rettungsdienst gerufen, die Meldung klingt unspektakulär. Beim Eintreffen vor Ort finden die Rettungsassistenten einen sehr schwach wirkenden Patienten vor, der jedoch nicht vital gefährdet wirkt. Auf dem Weg in die Klinik kommt es zum Kammerflimmern.

Kommentar

von Dr. med. Sönke Müller, hausärztlicher Internist in Neckargemünd, Notarzt im Rettungsdienst und Mitherausgeber von retten!

„Ein Patient mit unklaren Symptomen hat den Rettungsdienst gerufen, die Meldung klingt unspektakulär …“ Die Zeiten, in denen der Rettungsdienst fast ausschließlich zu (vermeintlich) spektakulären dramatischen Einsätzen ausrücken musste, sind schon lange vorbei: Der Rettungsdienst übernimmt, angesichts des Wandels in der medizinischen Versorgungslandschaft, immer neue, auch unspektakuläre Aufgabenfelder – mit dem Resultat einer Spirale von ständig steigenden Einsatzzahlen und in deren Folge auch ständig steigenden Vorhaltungen an Mensch und Material. Selbst wenn auf den Einsatzmeldern immer noch die Indikationen „V. a. akutes Koronarsyndrom, Dyspnoe, V. a. Apoplex, Sturz aus großer Höhe“ u. a. in großer Zahl zu finden sind, wissen doch alle im Rettungsdienst Tätigen aus Erfahrung, dass sich hinter einem Großteil der vermeintlich spektakulären Verdachtsdiagnosen oft nur Harmloses (selbstverständlich nur aus der Sicht des Retters) verbirgt.

Und jetzt kommt sogar noch ein Einsatz, der per se „unspektakulär“ klingt. Was wird das dann erst für ein „Langeweiler“ oder „Ruhestörer“ sein?

Und wirklich: Der Patient schildert unspektakuläre Symptome: „Müdigkeit, Adynamie, und das schon den ganzen Tag, und der ärztliche Bereitschaftsdienst war auch schon da … Ach ja, und Dialysepatient ist er auch, hat aber morgen schon einen regulären Dialysetermin …“

Den Patienten zu Hause lassen? Ihn darauf hinweisen, dass es 4 Uhr nachts ist und er doch sicher ab 7.30 Uhr seinen Hausarzt aufsuchen könnte oder dann im Lauf des Tages den Dialysetermin wahrnehmen sollte?

Die Versuchung könnte groß sein – aber nein: Die Professionalität, das Pflichtbewusstsein und die Neugier der Rettungsassistenten sind groß genug, um die Basisdiagnostik mit einem 12-Kanal-EKG abzurunden. Und da fällt dann doch etwas „Komisches“ auf – und ab sofort ist der „Unspektakulär-Modus“ abgeschaltet, der Patient wird konsequent überwacht. Die Dramatik des Kammerflimmerns trifft die Besatzung nicht völlig unvorbereitet!

Was lernen wir daraus?

Man kann nicht alles wissen und kennen – die präklinische Diagnose einer Hyperkaliämie kann ohne Weiteres dazu gehören. Aber man sollte niemals darin nachlassen, seine Routine mit den Basisalgorithmen, seine Professionalität mit dem Blick für das „irgendwie Kranksein“ zum Vorteil des Patienten auszuspielen. Auch um 4 Uhr nachts und auch beim „Undramatischen“.