physiopraxis 2015; 13(03): 44-47
DOI: 10.1055/s-0035-1549246
physiotherapie
© Georg Thieme Verlag Stuttgart - New York

Platz für Gespräche auf Augenhöhe – Partnerschaftlicher Umgang mit Patienten

Thomas Messner

Subject Editor:
Further Information

Publication History

Publication Date:
20 March 2015 (online)

 

    „Man hilft den Menschen nicht, wenn man für sie tut, was sie selbst tun können.“ Das Zitat von Abraham Lincoln ist für die Therapie heute noch hochaktuell. Um einen Patienten beispielsweise zu mehr Eigenaktivität zu motivieren, ist es essenziell, dass er selbst Vorschläge macht. Das darf ihm der Therapeut nicht abnehmen, aber er kann den Patienten unterstützen, indem er mit ihm als Partner auf Augenhöhe spricht. Mit der „ Motivierenden Gesprächsführung“ gelingt das.


    #

    Dr. Thomas Messner

    Zoom Image
    Dr. Thomas Messner ist Physiotherapeut und Diplom-Sportwissenschaftler. Er ist Honorardozent an verschiedenen Hochschulen, arbeitet als Coach und Supervisor (MI) und hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Thematik Adhärenz und Verhaltensänderung in der Physiotherapie auseinandergesetzt. Als Trainer und Seminarleiter berät er Einzelpersonen und Teams bei Fragen rund um das Thema Verhaltensänderung und Gesundheit.

    Dieser Fall hat sich genauso zugetragen: Silke Hahn[*] kommt nach der Rehabilitation mit einem Rezept zu Physiotherapeut Heiko Fallert[*]. Die 26-Jährige hatte infolge einer intensiven Chemotherapie eine beidseitige Hüftkopfnekrose entwickelt und bekam an beiden Seiten eine TEP. Da Silke inzwischen wieder laufen kann, möchte sie ihr Physiotherapeut motivieren, ihren Gesundheitszustand weiter zu verbessern. Er schlägt ihr Nordic Walking vor, da sie das bereits aus der Reha kennt. Er erklärt ihr, dass sie das gut alleine im Park machen könne und damit sukzessive ihr Belastungsniveau steigern würde. Heiko gibt der Patientin nochmals eine kurze Instruktion und anschließend zwei Stöcke mit nach Hause. Doch eine Woche später berichtet Silke in der Therapie, dass sie nicht aktiv war. Schuld seien die „zu kurzen Stöcke“ gewesen. Ausgestattet mit längeren Stöcken und vielen guten Ratschlägen verlässt Silke die Praxis. Aber auch in der folgenden Woche geht die Patientin nicht walken. Heiko erklärt ihr daraufhin noch einmal, dass die eigene Aktivität unabdingbar für weitere Fortschritte sei, und versucht erneut, Silke zu motivieren. Sie gelobt Besserung, erwähnt jedoch, keine passenden Schuhe zu haben. Daraufhin nennt ihr der Therapeut einen kompetenten Sportartikelhändler. Silke geht allerdings auch mit den neuen Sportschuhen nicht in den Park. Das Prozedere wiederholt sich noch zweimal – Heiko erstellt ihr einen detaillierten Trainingsplan und gibt den Tipp, sich vom Handy an das Walken erinnern zu lassen. Doch der Erfolg stellt sich nicht ein. Heiko hat den Eindruck, dass sich die Patientin zwar motiviert gibt, aber eigentlich gar nicht aktiv sein will. Er kommt zu dem Schluss, dass das ihr Problem ist, da er sie ja schließlich nicht zwingen kann.

    Als der Therapeut Silke in der letzten Behandlung am Oberschenkel massiert, bricht sie in Tränen aus. Lange lässt sie sich nicht beruhigen. Nachdem sie sich gesammelt hat, erzählte sie Heiko, dass sie im Alter von 17 Jahren im Park einen sexuellen Übergriff erlebt hat. In diesem Moment dämmert es Heiko, warum seine Ratschläge ihren Zweck vollkommen verfehlt haben: Nichts und niemand hätte Silke dazu gebracht, alleine im Park aktiv zu werden. Ihre scheinbare Motivationslosigkeit stellt sich nun ganz anders dar. Aber sie hatte ihm ja nichts davon erzählt.

    Was erzählen uns unsere Pateinten nicht? Wovon wissen wir als Therapeuten nichts? Sehen wir die Welt aus den Augen unserer Patienten?

    „Ja, aber“-Sätze deuten auf Abwehr hin.

    Menschen auf dem Weg hin zu einer Verhaltensänderung zu begleiten, ist nicht leicht. Doch dies ist gerade im Rahmen einer physiotherapeutischen Behandlung sehr wichtig. Auch die Heilmittelrichtlinie spiegelt es wider. In fast allen Diagnosegruppen lautet das Ziel: Erlernen eines Eigenübungsprogramms. Somit fordert der Gesetzgeber von uns Physiotherapeuten, dass wir die Adhärenz und Compliance unserer Patienten verbessern. Doch wie können wir das erreichen? Sicher nicht, indem wir – wie Heiko – für unsere Patienten das tun, was sie selbst tun können. Zielführender wäre es gewesen, Silke selbst nach Möglichkeiten der Eigenaktivität suchen zu lassen und sie dabei zu unterstützen.

    Zoom Image
    Das Sofa spielt in der Motivierenden Gesprächsführung eine entscheidende Rolle: Die Unterhaltung zwischen beispielsweise Therapeut und Patient soll so ablaufen, als säßen beide nebeneinander auf der Couch. So kann der Therapeut die Welt aus den Augen des Patienten sehen und nimmt ihn als gleichberechtigten Partner wahr.
    Abb.: archideaphoto/shutterstock.com

    Eine geeignete Technik hierfür ist das Motivational Interviewing (MI, Motivierende Gesprächsführung). Diesem Gesprächskonzept liegt die Annahme zugrunde, dass in jedem Menschen eine Motivation zur Änderung steckt. Diesen manchmal unentdeckten und brachliegenden Antrieb gilt es, gemeinsam zu finden und sichtbar zu machen. Aus dieser Perspektive gibt es den destruktiven – per se unmotivierten – Patienten nicht.

    Der Ansatz des MI wurde vor über 30 Jahren für die Behandlung von Suchtpatienten entwickelt und hat sich rasch ausdifferenziert. Mittlerweile ist es ein weit über die Suchtbehandlung hinaus etablierter Ansatz, der auch für Gesundheitsberufe interessant geworden ist [2]. Die Methode wurde in mehr als 200 randomisierten kontrollierten Studien und zahlreichen Metaanalysen untersucht und in den Vereinigten Staaten in die National Registry of Evidence- based Programs and Practices aufgenommen [3].

    Laut MI sind Menschen hinsichtlich einer Verhaltensänderung ambivalent eingestellt. Das bedeutet, dass wir stets Gründe dafür und dagegen finden. Ob wir uns nun entscheiden, unser Verhalten zu ändern, oder am Gewohnten festhalten, hängt von bewussten und oft auch unbewussten Entscheidungen ab. Zum Beispiel tendieren wir dazu, unseren Status quo zu rechtfertigen. Wir lassen uns nur sehr ungern sagen, dass unser Verhalten nicht in Ordnung ist. Sprechen Therapeuten also eine Seite der Ambivalenz an („Das Rauchen tut Ihnen nicht gut“), so beleuchten viele Patienten reflexartig die andere Seite („Mein Opa war auch starker Raucher und wurde 95 Jahre alt“). Oft beginnen sie ihre Argumentation mit den Worten „Ja, aber“. Serviert der Therapeut dann das nächste Argument, beginnt ein Ping-Pong-Spiel, bei dem der „Sieger“ von vornherein feststeht. Vermutlich waren auch die von Silke vorgebrachten Argumente (zu kurze Stöcke, fehlende Schuhe) Zeichen einer solchen Abwehrreaktion.

    Entscheidend bei einer Verhaltensänderung ist außerdem, was ein Mensch sagt. Denn wir haben die Tendenz, so zu handeln, wie wir sprechen. Je mehr Argumente der Therapeut beispielsweise gegen das Rauchen liefert, umso mehr Gegenargumente spricht der rauchende Patient aus. Dabei hört er sich selbst und seiner Argumentation zu und festigt dadurch seine Sicht. Somit erreicht der Therapeut mit seiner Argumentationskette gegen das Rauchen genau das Gegenteil, und die angestrebte Veränderung rückt für den Patienten in weite Ferne.

    Entscheidungen akzeptieren heißt nicht, sie gutzuheißen.

    Der MI-Ansatz respektiert die Ambivalenz des Menschen und möchte dabei helfen, die Argumente beider Seiten zu beleuchten und abzuwägen. So können Therapeuten mit ihren Patienten Diskrepanzen zwischen dem momentanen und dem gewünschten Verhalten entdecken und die intrinsische Motivation nachhaltig sichtbar machen. Um auf diese Weise Gespräche führen zu können, bedarf es einer bestimmten inneren Haltung, die der Therapeut einnehmen und dem Patienten gegenüber leben muss. Miller und Rollnick sprechen vom „Spirit“ (Geist) des MI. Die folgenden vier Aspekte sind hierfür entscheidend [1]:

    • > 1. Partnerschaftlichkeit

    • > 2. Akzeptanz/Annahme

    • > 3. Hervorlocken

    • > 4. Anteilnahme

    Partnerschaftlichkeit bedeutet, dass der Therapeut dem Patienten als gleichberechtigter Partner gegenübertritt. Es treffen zwei Experten aufeinander: der Therapeut als Experte für Medizin und Therapie, der Patient als Experte für sein Leben, da er sich und seine Möglichkeiten selbst am besten kennt. Diese Augenhöhe gilt es zu leben und auch zu zeigen. Miller und Rollnick zeichnen hierzu folgendes Bild: Therapeut und Patient sitzen nebeneinander auf dem Sofa und schauen sich – auf Augenhöhe – ein Fotoalbum des Lebens und der Möglichkeiten an [1]. Dadurch kann der Therapeut die Welt aus den Augen des Patienten sehen und ihn verstehen.

    Der Begriff Akzeptanz fasst unterschiedliche Elemente zusammen. Im Kern geht es darum, dem Patienten unvoreingenommen entgegenzutreten, ehrliches Interesse an ihm zu zeigen, einen empathischen Umgang zu pflegen und ihn so zu akzeptieren, wie er ist, und ihm das auch so zu vermitteln. Zudem ist die Wahrung der Autonomie eine wichtige Grundlage der Akzeptanz. Der Therapeut respektiert die Entscheidung des Patienten – auch wenn sie nicht unbedingt seiner Meinung entspricht. Dabei hilft es, wenn er sich vor Augen führt, dass Akzeptieren nicht gleich Gutheißen bedeutet. Ein weiterer akzeptanzfördernder Baustein ist es, die Stärken und Erfolge des Patienten zu sehen. Dadurch fühlt sich ein Patient angenommen und merkt, dass seine Autonomie nicht verletzt wird. Eine wichtige Grundlage für Veränderung ist somit geschaffen.

    Mit dem Grundsatz des Hervorlockens ist gemeint, dass die Motivation bereits im Patienten selbst liegt – und nicht erst hineingepumpt werden muss. Durch geeignete Gesprächstechniken gilt es nun, die Ambivalenz gemeinsam zu betrachten und dazu beizutragen, dass der Patient zum Fürsprecher seiner eigenen positiven Veränderung wird.

    Der Spirit des MI wird vervollständigt durch den Aspekt der Anteilnahme. Die Belange und Probleme des Patienten haben Vorrang und stehen im Mittelpunkt. Der Therapeut versucht, diese Bedürfnisse zu erkennen, ohne sie zu werten.

    Offene Fragen regen zum Nachdenken an.

    Die vier genannten Aspekte sind das Herzstück des MI. Nur wer diesen Spirit lebt, kann das Potenzial der Technik voll entfalten. Aufbauend auf diese Haltung haben Miller und Rollnick zahlreiche Methoden der Gesprächsführung zusammengestellt, mit denen ein Gesprächspartner die intrinsische Motivation seines Gegenübers wecken und bei ihm eine Verhaltensänderung erreichen kann. Grundsätzlich gibt es sieben Methoden [4]:

    • > 1. Offene Fragen

    • > 2. Aktives Zuhören

    • > 3. Würdigung/Wertschätzung

    • > 4. Zusammenfassung

    • > 5. Geschmeidiger Umgang mit Widerstand

    • > 6. Förderung von Change Talk

    • > 7. Förderung von Confidence Talk

    Die ersten vier sind die Basisfertigkeiten, die in jeder Phase des Gesprächs von Bedeutung sind. In englischsprachiger Literatur werden sie meist mit dem Akronym OARS abgekürzt, das für Open Questions (offene Fragen), Affirming (Wertschätzung), Reflective Listening (aktives Zuhören) und Summarizing (Zusammenfassung) steht [1].

    Offene Fragen, die der Patient nicht nur mit „Ja“ und „Nein“ beantworten kann, regen ihn zum Nachdenken und Erzählen an. Dadurch erfährt der Therapeut Neues und lädt den Patienten ein, aus seiner Perspektive zu erzählen. Durch das aktive Zuhören drückt der Therapeut Empathie aus. Der Patient hört seine Aussagen noch einmal durch den Mund des Therapeuten. Das vermittelt ihm das Gefühl, der Therapeut spricht ihm aus dem Herzen, und er fühlt sich gehört und verstanden. Zudem kann der Patient den Therapeuten gegebenenfalls korrigieren. Besonders wichtig ist das aktive Zuhören, wenn der Patient Argumente für Veränderung nennt: Er hört sich selbst die Gründe aufzählen, der Therapeut wiederholt sie noch einmal. Das wirkt sich positiv aus, da Menschen schließlich die Tendenz haben, so zu handeln, wie sie sprechen. An diesem Punkt bietet es sich an, dass der Therapeut die bisherigen Erkenntnisse kurz zusammenfasst. Das führt ihm und dem Patienten das Gespräch noch einmal klar vor Augen, und beide können sich vergewissern, dass sie „noch nebeneinander auf dem Sofa sitzen“.

    Grundsätzlich ähnelt ein gelungenes MI-Gespräch eher einem gemeinsamen Tanz als einem Kampf um Argumente. Patient und Therapeut bewegen sich im Gespräch harmonisch und gemeinsam. „Dancing, not wrestling“ lautet die Devise von Miller und Rollnick [1]. Dies lässt sich nur durch die Anwendung der Basistechniken (OARS) umsetzen. Erkennt der Therapeut Erfolge, Erfahrungen und Eigenschaften des Patienten an, lernt dieser zudem, sich selbst zu schätzen, und er kann Selbstwirksamkeit erfahren.

    Widerstand darf nicht zum Schlagabtausch einladen.

    Wann immer der Patient Widerstand aufbringt, gilt es, diesen anzuerkennen und mit ihm wertschätzend umzugehen. Allzu oft wird der Widerstand zum Thema, und ein Schlagabtausch beginnt. Der Therapeut sollte den Widerstand ernst nehmen, um wieder zu dem Patienten auf das gemeinsame Sofa zu gelangen. Er kann dem Patienten aktiv zuhören, ihm die Wahlfreiheit zugestehen und eventuell den Weg für andere Möglichkeiten freimachen. Das alles funktioniert aber nur, wenn der Therapeut den Geist des MI lebt und zeigt.

    Eine Kernidee des MI ist es, den Patienten zum Fürsprecher seiner eigenen Motivation zu machen. Er nennt Wünsche, Gründe, Fähigkeiten oder Notwendigkeiten selbst und stärkt dadurch seine intrinsische Motivation. Solche Äußerungen, die thematisieren, wie wichtig dem Patienten die Änderung ist, werden im MI als „Change Talk“ bezeichnet. Nun lässt der Patient solche Worte in der Regel nicht einfach so fallen. Hier kann der Therapeut als „Geburtshelfer“ des Change Talks fungieren, indem er offen nach den Gründen für eine Veränderung fragt und die Nachteile des Status quo sowie die Wünsche und Absichten des Patienten partnerschaftlich beleuchtet. Der Patient kann die Wichtigkeit der Veränderung einstufen – ähnlich wie bei der Schmerzskalierung (VAS). Vielen Patienten hilft ein gemeinsamer Blick in die Vergangenheit, um Diskrepanzen deutlicher zu sehen. Die Frage nach der künftigen Entwicklung – mit oder ohne eine Veränderung – kann ebenfalls ein wichtiger Impuls und Motor für die Eigenmotivation sein. Grundsätzlich ist es in dieser Phase des Gesprächs wichtig, dem Patienten aufzuzeigen, wie sich die Effekte von seinem momentanen und seinem gewünschten Verhalten unterscheiden. Daraus entsteht letztlich Motivation.

    Neben dem Change Talk, der die Wichtigkeit einer Veränderung thematisiert, spielt die Zuversicht einer Person, eine Veränderung eigenständig umsetzen zu können, eine entscheidende Rolle. Äußerungen, die diese Zuversicht zeigen, werden als „Confidence Talk“ bezeichnet. Um diesen hervorzurufen, ist es von großer Bedeutung, bisherige Erfolge hervorzuheben und wertzuschätzen – auch wenn es möglicherweise nur erste kleine Schritte waren. Außerdem gilt es, an den Stärken und Ressourcen des Patienten anzuknüpfen, diese zu erfragen und „zur (Aus-)Sprache“ zu bringen. Manchen Patienten hilft es, scheinbare Misserfolge ins rechte Licht zur rücken und die andere Seite der Medaille zu sehen, damit sie die positiven Seiten erkennen.

    Setzt der Therapeut diese sieben Methoden nun in unterschiedlichen Phasen der Unterhaltung zielgerichtet ein, so kann er damit verschiedene, aufeinander aufbauende Prozesse anstoßen: Im ersten Prozess stellt er mithilfe der Basistechniken (OARS) eine gemeinsame Ebene mit dem Patienten her. Sitzen Therapeut und Patient gemeinsam auf dem Sofa, so gilt es im zweiten Schritt festzulegen, worum es im Kern geht und welches Verhalten im Fokus ist. Bei Silke ist es die regelmäßige körperliche Aktivität. Im dritten Schritt geht es ans Eingemachte: Der Therapeut schaut sich mit dem Patienten gemeinsam die Möglichkeiten der Veränderung an. Während des Gesprächs hat der Patient die Gelegenheit, sich der eigenen Ambivalenz bewusst zu werden, und er kann die verschiedenen Positionen im Gespräch gezielt betrachten. Während dieses Prozesses wird er möglicherweise Gründe, Wünsche, Notwendigkeiten oder Fähigkeiten äußern und so zeigen, dass ihm eine Änderung wichtig ist – sprich, er zeigt Change Talk. Neben der Wichtigkeit wird aber auch die Zuversicht, eine Veränderung eigenständig umzusetzen, im Auge behalten. Der Therapeut lockt Confidence Talk hervor und gibt ihm Raum. Wenn dem Patienten eine Veränderung wichtig ist und er zudem zuversichtlich ist, diese eigenständig umzusetzen, ist die intrinsische Motivation des Patienten geweckt und ausgesprochen. Dann fasst er im vierten und letzten Schritt gemeinsam mit dem Therapeuten individuell geeignete Pläne und konkretisiert die Umsetzung. Nur so kann aus dem Vorsatz eine Handlung resultieren. Dass dieses Vorgehen in der Physiotherapie effektiv ist, ist bereits gut belegt [5].

    Die Patienten sind die Experten für ihr Leben.

    Übrigens hätte Silke ihrem Therapeuten vermutlich auch dann nichts von dem Vorfall im Park erzählt, wenn er MI-konform vorgegangen wäre. Aber das ist auch nicht das Entscheidende. Therapeuten müssen nicht alles über Patienten wissen, um sie zu motivieren. Sie müssen sich nur darüber im Klaren sein, dass sie nicht allwissend sind. Die Patienten sind die Experten für ihr Leben. Sie wissen selbst am besten, was für sie ein gangbarer Weg wäre, und sagen es dem Therapeuten auch – vorausgesetzt er hakt respektvoll nach. Heiko hat Silke nie nach ihren Ideen und Gedanken gefragt. Er hat ihr das Nordic Walking als Möglichkeit übergestülpt. Der Patientin wäre es nicht in den Sinn gekommen. Und somit hätte der Vorfall im Park auch nicht Thema werden und alte Wunden aufreißen müssen.


    #

    * Name von der Redaktion geändert




    Zoom Image
    Dr. Thomas Messner ist Physiotherapeut und Diplom-Sportwissenschaftler. Er ist Honorardozent an verschiedenen Hochschulen, arbeitet als Coach und Supervisor (MI) und hat sich in den letzten Jahren intensiv mit der Thematik Adhärenz und Verhaltensänderung in der Physiotherapie auseinandergesetzt. Als Trainer und Seminarleiter berät er Einzelpersonen und Teams bei Fragen rund um das Thema Verhaltensänderung und Gesundheit.
    Zoom Image
    Das Sofa spielt in der Motivierenden Gesprächsführung eine entscheidende Rolle: Die Unterhaltung zwischen beispielsweise Therapeut und Patient soll so ablaufen, als säßen beide nebeneinander auf der Couch. So kann der Therapeut die Welt aus den Augen des Patienten sehen und nimmt ihn als gleichberechtigten Partner wahr.
    Abb.: archideaphoto/shutterstock.com