Zeitschrift für Phytotherapie 2012; 33(6): 260
DOI: 10.1055/s-0033-1333894
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Die Zukunft der Pharmazeutischen Biologie an den deutschen Hochschulen - (k)ein Grund zur Sorge?

Barbara Steinhoff

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Publication Date:
23 January 2013 (online)

 

    Pflanzen sind seit jeher eine der wichtigsten, wenn nicht die älteste Quelle von arzneilich genutzten Zubereitungen, und die Pharmakognosie ist seit Jahrhunderten eine der Säulen der Apothekerausbildung an den Universitäten. Sie befasst sich mit dem Erkennen und der sicheren Identifizierung von Arzneipflanzen, mit der Kenntnis ihrer Inhaltsstoffe und deren Untersuchung sowie mit dem Wissen über Wirkungen und die therapeutische Anwendung pflanzlicher Zubereitungen und Arzneimittel. Wandelte sich in der zweiten Hälfte des letzten Jahrhunderts diese Fachrichtung zur moderneren Pharmazeutischen Biologie, so sieht man spätestens seit der Schwelle zum neuen Jahrtausend eine zunehmende Hinwendung zur Molekularbiologie, verbunden mit der Identifizierung neuer Targets zur gezielten Optimierung von Arzneistoffen durch Biosyntheseforschung und mit der Aufklärung von molekularen Wirkmechanismen biologisch aktiver Naturstoffe.

    Wie sich die Fachrichtung der Pharmazeutische Biologie im Rahmen des Zukunftskonzepts »Pharmazie 2020« in Lehre und Forschung an den deutschen Hochschulen positioniert, das war Thema der zuständigen Fachgruppe der Deutschen Pharmazeutischen Gesellschaft e.V. (DPhG) im Rahmen der diesjährigen DPhG-Jahrestagung in Greifswald. Die Bestrebungen nach Modernisierung sind durchaus verständlich und wichtig, denn die Pharmazeutische Biologie muss »zukunftsfähig« sein und sich an den wissenschaftlichen und technischen Fortschritt anpassen, sie darf aber deshalb die ursprüngliche Kenntnis der Identifizierung von Arzneipflanzen und das Wissen um die typischen Inhaltsstoffe und ihre Wirkungen als Alleinstellungsmerkmal des Apothekers nicht vernachlässigen.

    Die Positionen scheinen relativ übereinstimmend zu sein, was die Bedeutung der Pharmazeutischen Biologie für das Grundlagenwissen der Apothekerausbildung, für die umfassende Kenntnis von Arzneipflanzen und deren Anwendung und damit letztendlich für den Markt pflanzlicher Arzneimittel betrifft. Die Beteiligten sind sich offensichtlich einig, dass sowohl die Pflanze selbst als auch die Molekularbiologie gleichrangige Schwerpunkte der Pharmazeutischen Biologie bilden und sich die Kernkompetenz des Fachbereichs auf biogene Arzneistoffe insgesamt beziehen muss. Insofern ist auch die Pflanze nach der modernen Terminologie als ein »biogener Arzneistoff« einzustufen, und sie stellt neben Mikroorganismen und z.B. tierischen Produkten ein wichtiges Objekt der Forschung als Quelle für arzneiliche Wirkstoffe dar.

    So machen auf der stofflichen Seite Primär- und Sekundärstoffe sowie Vielstoffgemische (z.B. Extrakte), aber auch biotechnologisch gewonnene Arzneistoffe und lebende Zellen das Wesen der Pharmazeutischen Biologie aus. In der Lehre soll damit aus Sicht der Hochschulen der Fokus nach wie vor zum einen auf pflanzlichen Arzneimitteln im Sinne eines kritischen und kompetenten Umgangs mit einer wissenschaftlich fundierten Phytotherapie liegen, auch zur Abgrenzung gegenüber Nahrungsergänzungsmitteln, zum anderen auf der Herstellung und Qualitätssicherung von Biopharmazeutika.

    Eine ausschließliche Ausrichtung auf die Aufklärung von Biosynthesewegen mit einem gezielten Engineering zur Wirkstoffherstellung, auf die Entwicklung von Biopharmazeutika und auf die Identifizierung neuer klinischer Targets würde dazu führen, dass Pharmazeuten zukünftig sehr genau spezielle biochemische Abläufe in Pflanzenzellen beschreiben können, aber vermutlich dann nicht mehr in der Lage sind, Arzneipflanzen mit ihren Inhaltsstoffen und Wirkungen zu erkennen. Ohne ein solches pharmazeutisch-biologisches Basiswissen ist auch ein Verstehen übergeordneter Zusammenhänge nicht möglich.

    Nur so kann die moderne Pharmazeutische Biologie in universitärer Lehre und Forschung innerhalb des Zukunftskonzeptes »Pharmazie 2020« neben den anderen Bereichen Pharmakologie, Pharmazeutische/Medizinische Chemie, Pharmazeutische Technologie und Klinische Pharmazie ihren Platz finden und auch den künftigen Apotheker für seine praktische Beratungstätigkeit vorbereiten. In Greifswald diskutierten die verschiedenen Fachbereiche interdisziplinäre Ansätze, zu denen auch Forschungsverbundprojekte ihren Beitrag leisten könnten.


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    Dr. Barbara Steinhoff

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